Internet – Noch immer Neuland für Berater: Wie sich die Beratung verändern muss
Sind Unternehmensberatungen die nächsten Opfer der Digitalisierung? Kann Unternehmensberatungen Ähnliches drohen wie zuvor anderen Dienstleistungsbranchen? Wir meinen „ja“ und sagen: Entweder die Unternehmensberater beginnen jetzt unverzüglich damit, ihre Leistungen zu digitalisieren, oder ein Außenstehender wir es tun. Einer, der nicht weiß, dass das nicht geht. Einer, der es einfach probiert. Einer, der den Mut hat, ein erprobtes Geschäftsmodell zu zerstören. Einer, der Innovationen nicht predigt, sondern lebt.
Dieser Beitrag zeigt einige Ideen, wie eine digitalisierte Unternehmens- und Unternehmerberatung der Zukunft aussehen kann.
1 Neuland Internet
Bekannt ist: Das Internet revolutioniert Geschäftsmodelle. Aber obwohl eine Vielzahl von Branchen ihre Leistungen und Abläufe mittels Web-Technologien bereits komplett umkrempelt, ist genau die Spezies, die diese Veränderungen bei anderen massiv vorantreibt, bei der Anpassung ihres eigenen Geschäftsmodells wie gelähmt. Offenbar sind Berater bei der Veränderung der eigenen Branche beratungsresistent.
Anstatt zu agieren und das Businessmodel der Unternehmensberatung zu modernisieren, wird das Internet von den Beratern unverändert als „für uns nicht relevantes“ Neuland einfach ignoriert. Das kann nicht lange gut gehen. Auch andere Branchen sind davon ausgegangen, dass der Sturm der Digitalisierung an ihnen vorbeigeht – und sind dann gnadenlos davongefegt worden von neuen Playern wie Zalando, airbnb, Uber oder MyTaxi. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Sind Unternehmensberatungen demnach die nächsten Opfer der Digitalisierung?
2 Der Kern der Unternehmensberatung
Wenn wir uns mit der Zukunft der Unternehmensberatung beschäftigen, ist es hilfreich, sich zunächst einmal ihren Kern zu veranschaulichen. Beratung kann durch vier charakteristische Merkmale beschrieben werden:
- 1.Ressource Wissen: Der Berater weiß mehr und früher als sein Mandant und kann diesen Wissensvorsprung zum Nutzen seines Mandanten anwenden.
- 2.Ressource Zeit: Der Berater hat mehr Zeit als die Firmen-Mitarbeiter, um ein Thema zu bearbeiten, Projekte können damit früher gestartet und schneller beendet werden.
- 3.Ressource Methodik: Der Berater weiß, wie Probleme gelöst werden, und kommt daher schneller zu Lösungen.
- 4.Ressource Geld: Der Berater hat Routine in der Fallbearbeitung und ist damit am langen Ende günstiger als eine firmeninterne Lösung.
Anmerkung: Gerade mittelständische Berater werden zwar an diese Stelle monieren, dass die Ressource „Beziehung“ fehlt. Das mag stimmen, sie ist jedoch kein Merkmal der Beratung, das per se zu einer Nachfrage führt.
Entscheidend ist jetzt die Frage, ob und – wenn ja – wie diese Kriterien des Geschäftsmodells der Unternehmensberatung durch einen disruptiven Ansatz verändert werden können. Die Frage, „warum wir das tun sollten“ stellt sich dabei nicht, denn: Wenn wir Berater selbst es nicht tun, wird es jemand anderes machen. Und wenn es erst einmal in der Welt ist, werden die Kunden es nachfragen.
Die Informationsbeschaffung erlebt dank des Internets einen neuen Gipfel der Einfachheit. Hat sich ein Berater früher dadurch ausgezeichnet, dass er von einer Sache mehr und zumeist früher als sein Mandant wusste, so hat sich dieses Thema heute völlig gewandelt: Informationen können mit einem Mausklick beschafft werden, zumeist sogar kostenfrei. Dies gilt mittlerweile auch für die Suche nach (komplexen) Lösungen zu unternehmerischen Fragestellungen: Welche Rechtsform ist die passende, wie baue ich ein Geschäft im Ausland auf, wie vergüte ich meinen Vertriebsleiter etc… Auf der Ebene der reinen Wissensvermittlung steckt die Konkurrenz folglich nicht in den eigenen Reihen, sondern kommt aus dem world wide web.
3 Die Konkurrenz: Das Internet
Das Internet bietet beim Thema Wissen massive Vorteile gegenüber einem einzelnen Unternehmensberater.
3.1 Leicht verfügbare Informationen
Der Beratungsbedürftige findet im Internet einen unvorstellbaren Umfang an Informationen, allgemeinen Lösungsskizzen und Konzeptschablonen. Zu fast jedem Problem lässt sich im Internet eine Lösung oder ein Erfahrungsbericht finden. Der Aufwand, einen neuen Tab im Browser zu öffnen, ist dramatisch kleiner als zum lokalen Unternehmensberater zu fahren. Die Konsequenz: Unternehmer suchen autonom nach Lösungen. Zudem weiß das Internet deutlich mehr als jeder noch so qualifizierte Berater.
Der disruptive Ansatz für die Beratung der Zukunft lautet: Der Berater ist nicht mehr der Wissens-Inhaber sondern wird zum Wissens-Broker. Es ist nicht mehr wichtig, was er weiß, sondern wo er dieses Wissen finden und optimal für seinen Mandanten zusammenstellen kann.
3.2 Kostenlos
Das Internet bietet seine Lösungen zumeist kostenfrei an. Unternehmer finden deshalb nicht nur Informationen ohne großen zeitlichen Aufwand, sondern auch der monetäre Aufwand geht häufig gegen Null. Dies verstärkt den Anreiz, die klassische Unternehmensberatung zu meiden und das Internet als Ratgeber häufiger aufzusuchen. Insbesondere für junge, noch finanziell schwache Unternehmen ist dieser Vorteil schwerwiegend. Selbst wenn diese kostenfreien Informationen heute noch nicht die Qualität haben, wie sie ein bezahlter Berater liefert, so können sie dem Unternehmer doch bei den ersten Veränderungsschritten helfen.
Der disruptive Ansatz für die Beratung der Zukunft lautet: Die Bereitstellung von Know-how kann der Berater künftig nicht mehr fakturieren. Er braucht neue Bezahlmodelle für seine Tätigkeit als Wissens-Broker.
3.3 Immer und überall erreichbar
In Zeiten der Globalisierung ist der Unternehmer häufig international tätig, agiert in verschiedenen Ländern und bewegt sich in verschiedenen Zeitzonen. Selbst wenn er ausschließlich national oder lokal tätig ist, beträgt das Zeitfenster für die Leistungserbringung 24/7. Damit steigt die Notwendigkeit, zu jeder Zeit Lösungen für Probleme zu finden – und nicht nur während der Büro-Öffnungszeiten des Unternehmensberaters. Dieser konstante Bedarf an Informationen wird durch das Internet befriedigt, ist es doch immer und von (fast) jedem Punkt der Welt erreichbar. Diese Tatsache wird verstärkt durch die technologische Entwicklung des Smartphones. Es war noch nie so einfach, online zu sein, und in der Zukunft wird dies noch einfacher möglich sein.
Der disruptive Ansatz für die Beratung der Zukunft lautet: Der Berater muss die neuen digitalen Systeme zu seinem Personal Assistent ausbilden und weiterentwickeln. Diese müssen permanent für seine Mandanten verfügbar sein. 24/7 gilt künftig auch in der Beratung.
3.4 Crowd-Lösung
Der Einzelberater arbeitet alleine und selbst im Netzwerk tätige Unternehmensberater haben nur einen beschränkten Zugang zu Ressourcen. Dahingegen findet man im Internet zahlreiche Artikel und Lösungsansätze von unzähligen Spezialisten. Die sich dann auch noch gegenseitig befruchten, durch These und Anti-These ein Thema vorantreiben. Wikipedia gäbe es nicht ohne diese Crowd. Der potentielle Kunde ist überzeugt, ein optimales Ergebnis zu erhalten, da er nicht nur eine Seite im Internet aufruft, sondern eine Vielzahl. Er vertraut auf die Schnittstelle der Lösungen. Beim Berater muss er nur auf eine Meinung vertrauen.
Der disruptive Ansatz für die Beratung der Zukunft lautet: Wir müssen lernen, unser Wissen zu teilen und neue Ansätze von außen aktiv in unsere Leistungen zu integrieren. Dabei gibt es keinen „Wächter“ mehr, der eine Wissens-Hoheit hat. Vielmehr organisiert und korrigiert sich das Schwarm-Wissen von alleine.
4 Was bedeutet das konkret für die Unternehmensberatung?
Klar ist, dass sich die klassische Unternehmensberatung ernsthaft mit der von außen kommenden Konkurrenz (Ratgeber, Portale etc.) beschäftigt, die Stärken des Internets auch für sich in Anspruch nehmen und neue Beratungsmethoden entwickeln muss, wenn sie langfristig ihre Daseinsberechtigung behalten will. Beratung muss dort anfangen, wo das Internet nicht mehr weiter weiß. Die vier wichtigen Schritte dazu sind:
4.1 Mehr virtuell und weniger lokal
Als Konsequenz der leicht verfügbaren Informationen und der ständigen Erreichbarkeit des Internets soll und muss die moderne Unternehmensberatung künftig stärker virtuell stattfinden. Die Unternehmensberatung der Zukunft ist für den Kunden weniger eine PowerPoint-Präsentation mit Workshop durch den Berater vor Ort, sondern mehr eine Portal-Lösung, auf die beide Seiten jederzeit zugreifen können. Am besten inklusive App!
Somit hat nicht nur der Kunde den Vorteil, dass er jederzeit und ortsunabhängig Beratungsleistungen in Anspruch nehmen kann, auch der Unternehmensberater kann sich über nicht nur lokale Unternehmer als Kunden freuen – sein Geschäft ist leichter skalierbar. Teure und ineffektive Reisezeiten entfallen durch Web-Conferencing-Lösungen. Experten, die an verschiedenen Orten sitzen, können mit geringstem Aufwand zugeschaltet werden.
Weiterhin bietet das Internet die Möglichkeit, dass Beratungsdienstleistungen nicht mehr zeitlich synchron stattfinden müssen, sondern auch asynchrone Lösungen möglich sind. Der Kunde kann jederzeit Beratungsdienstleistungen in Anspruch nehmen und muss nicht warten, bis die Beratungsfirma offen hat. Er kann Fragen stellen, die zeitversetzt beantwortet werden.
4.2 Neue Bezahlmodelle: Freemium & Co.
Das kostenlose Angebot im Internet bringt das Ertragsmodell der klassischen Unternehmensberatung heftig zum Schwanken. Potentielle Kunden geben sich mit vagen Lösungsskizzen ab, da sie diese Informationen kostenlos erhalten. Um hierbei weiterhin attraktiv zu bleiben, bietet sich ein Freemium-Modell für die moderne Unternehmensberatung an. Die Basisbausteine sind kostenlos, wohingegen Premium-Services mit Kosten für den Kunden verbunden sind. Somit kann man nicht nur als Alternative zu kostenlosen Plattformen agieren, indem man ausreichend viel freien Content bietet, sondern auch Beratungs-Interessenten davon überzeugen, dass die Premium-Services ihr Geld wert sind. Außerdem werden nicht nur Interessenten überzeugt, sondern auch „Bedürftige“, die von ihrem Bedürfnis selbst noch nicht wissen.
4.3 Premium Services – Wenn Google nicht mehr weiter weiß
Um mit dem kostenlosen Angebot des Internets mitzuhalten, muss die moderne Unternehmensberatung sich von Lösungsskizzen und Konzepten als Ergebnis einer Beratungsdienstleistung trennen und sie als Zwischenschritt zum Ergebnis akzeptieren. Grund hierfür ist, dass der Unternehmer den Mehrwert einer klassischen Beratungsdienstleistung nicht mehr ausreichend von den kostenlosen Informationen im Internet trennen kann. Als Konsequenz sollte das Ergebnis der modernen Unternehmensberatung eine erfolgreiche Umsetzung im Unternehmen des Kunden sein, bei der der Kunde seinen Mehrwert leicht kontrollieren kann. Folglich muss das Ergebnis der Beratungsleistung stark individualisiert werden – das was Google nicht bieten kann. Aus Know-how des Beraters wird Do-how.
4.4 Spezialisierung, Vernetzung und die Crowd
In Zeiten des Internets sprengt die Wichtigkeit der Spezialisierung und Vernetzung die bekannten Dimensionen, da generalistisches Wissen schnell und kostengünstig gefunden werden kann. Deswegen sollte der moderne Unternehmensberater tiefgründiges Wissen in seinem Bereich erwerben (Experten-Status) und zeitgleich ein Netzwerk aufbauen, um auch andere Bereiche für den Kunden abzudecken. Somit steht dem Kunden ein Netzwerk von Spezialisten zur Verfügung anstelle von Generalisten. Der Berater wird mit seinen digitalen Lösungen zum Hausarzt (die Medizin ist in Sachen Digitalisierung übrigens heute schon sehr viel weiter als die Beratungsbranche).
Spezialisten müssen im Übrigen nicht zwangsläufig Berater sein. Sowohl die Unternehmensberatung als auch Kunden profitieren von einem Austausch zwischen Unternehmern durch Netzwerkeffekte. Dies verstärkt den oben genannten Punkt: die moderne Unternehmensberatung ist eher ein Geschäft, das permanent online stattfindet, als ein lokaler und punktuell stattfindender Kundenkontakt vor Ort.
5 Fazit
Das Internet lässt das bestehende Geschäftsmodell der Unternehmensberatung ins Schwanken geraten. Informationen sind im Internet leicht verfügbar, kostenlos, immer und überall erreichbar. Zudem können sich Unternehmer mittlerweile noch leichter austauschen, was den Bedarf an Beratungsdienstleistungen schmälert. Die Konsequenz ist, dass das neue Geschäftsmodell der modernen Unternehmensberatung virtueller sein muss und das alte Ertragsmodell weniger tragbar sein wird. Der klassische Verkauf von Manntagen wird ersetzt durch ein Freemium-Modell, um mit den kostenlosen Informationen im Internet mitzuhalten und messbare Premium-Services anzubieten, in denen der messbare Nutzen des Kunden als Bewertungskriterium im Vordergrund steht.