Zentraler Sanierungspunkt: Robuste Geschäftsmodelle sichern die Zukunftsfähigkeit kriselnder Unternehmen
Häufig ist zu beobachten, dass sich Unternehmer in der Krise zu wenig und nicht intensiv genug mit der zukünftigen strategischen Ausrichtung ihres Unternehmens und vor allem den tatsächlichen Gründen ihres Scheiterns auseinandersetzen. Vielfach beschäftigt man sich im Kern damit, Symptome bzw. Auswirkungen zu kurieren, als die eigentliche Ursache zu beseitigen. Das Ergebnis: Das Resultat der Bemühungen um eine signifikante Verbesserung der Gesamtsituation ist nur von kurzer Dauer und die nächste Krise bahnt sich ihren Weg.
Die Ursachen sind mannigfaltig. Sicher sind auch globale Wirtschaftskrisen immer wieder Auslöser für ein Scheitern, oft muss man aber erkennen, dass der Unternehmer selbst durch eigenes Handeln, vor allem aber durch Unterlassen Teil der Krisenursachen geworden ist. Sanierungsbemühungen sind allerdings nur dann erfolgreich, wenn ein unbedingter und nachhaltiger Änderungswille des Unternehmers gegeben ist.
1 Nach der Krise ist vor der Krise?
Die Zahl der Insolvenzen in Deutschland nimmt erfreulicherweise ab und lag im 1. Halbjahr 2015 etwa 8,5 Prozent unter dem Vorjahresvergleichswert. Trotzdem werden auch Ende dieses Jahres ca. 80.000 Unternehmen von Insolvenz betroffen sein. Der Löwenanteil von etwa 48,4 Prozent entfällt davon auf Kleingewerbetreibende. Schon die nächste Stufe betrifft mit 39 Prozent die mittelständischen Kapitalgesellschaften (GmbH und UG). Der Anteil ist zum Vorjahr (39,1 Prozent) kaum gesunken.
Ein häufiger Grund für die Zahl der Insolvenzen ist die Tatsache, dass weder Krisensignale rechtzeitig von allen Beteiligten (Unternehmer, Steuerberater und Banken) erkannt, noch konsequent genug gegengesteuert wird. Je länger Krisen, insbesondere Ertragskrisen währen, desto mehr schwinden Handlungsspielräume und Möglichkeiten, wieder nachhaltig erfolgreich zu werden.
Darüber hinaus wird oft bei einer Sanierung zu wenig Wert auf die Widerstandsfähigkeit des bestehenden Geschäftsmodells gelegt und notwendige strategische Anpassungen vorgenommen. Die Folge: Oft innerhalb kurzer Zeit steht das Unternehmen erneut vor der gleichen Situation.
2 Chancen und Stärken nutzen
Bei Bestandsaufnahmen ist häufig feststellbar, dass sich viele Unternehmen ihrer Chancen und Stärken nicht mehr richtig bewusst sind. Wege aus der Krise finden sich leichter und sind ausdrücklich nachhaltiger, wenn diese Stärken im Mittelpunkt des zukünftigen, optimierten Geschäftsmodells stehen und vor allem mit den Engpässen der Zielgruppe korrelieren. Sehr oft lassen sich mithilfe geeigneter Werkzeuge (Szenarioanalysen, Strategietableaus)oder Kreativ- und Moderationstechniken solche Stärkenpotenziale und die daraus resultierenden Chancen herausarbeiten und stärker in das bisherige Geschäftsmodell einbringen.
Aus solchen Chancen lassen sich sehr häufig sichere und vor allem nachhaltige Alleinstellungsmerkmale (USP) entwickeln, die dem Unternehmen Grundauslastung und permanente Nachfrage sichern. Nicht immer sind unternehmerische Vorhaben durch konkrete Bedarfe einer Zielgruppe motiviert, sondern häufig nur durch den Glauben an solche. Sinn und Zweck einer jeden Unternehmung ist es jedoch, Nutzen für seine Zielgruppe (Kunden) zu stiften. Bleibt dieser aus, ist er für diese nicht klar erkennbar, besteht er nur temporär oder nur für wenige einzelne Kunden, ist nicht von einem robusten Geschäftsmodell und von einer langen Erfolgsgeschichte auszugehen. Die Konzentration auf die tatsächlichen Kundenwünsche eröffnet Chancen und multipliziert die Möglichkeiten des Unternehmens und schafft die Basisvoraussetzung für ein robustes und nachhaltiges Geschäftsmodell.
2.1 Welchen Zielen sollte man folgen?
Der nächste Schritt der Entwicklung eines robusten Geschäftsmodells ist es, diese erarbeiteten Chancen zu bewerten. Maßstab ist dabei der Gesamtnutzen des Modells. Es gilt, jenen Chancen genügend Raum zu geben, die den höchsten Nutzen für alle am Modell Beteiligten bieten. Sobald die Interessen Einzelner (Kunden, Unternehmer, Kapitalgeber, Mitarbeiter, Lieferanten) unterliegen, ist der Gesamterfolg nur von kurzer Dauer.
Grundsätzlich darf man Schwächen und Risiken nicht vernachlässigen, allerdings relativieren sich ihre Auswirkungen häufig, wenn man die Möglichkeiten vorhandener Chancen voll ausschöpfen kann. Mit dem Fokus auf die Schwächen und die Maßnahmen zu deren Beseitigung allein bleiben Unternehmen oft unter ihren Möglichkeiten. Strategische und operative Handlungsspielräume werden so minimiert.
Sobald der Plan für die Optimierung des Geschäftsmodells steht, gilt es bei allen Beteiligten für den Zeitraum nach der Umsetzung für Unterstützung zu werben. Hierfür sind ggfs. Richtungskorrekturen bei der Feinplanung zu berücksichtigen. Bei diesem Prozess gilt der Grundsatz, dass das Modell am erfolgreichsten bestehen wird, welches den größten Zuspruch aller Interessenten erfährt.
2.2 Ein Prototyp muss her!
Es ist in der Regel in der Krise nicht erforderlich, mit vielen Investitionen das gesamte Angebotsportfolio zu revolutionieren. Vielfach genügt es, aus Vorhandenem ein oder zwei ganz spezielle Angebote so zu gestalten, dass damit ein Nachfragesog entstehen kann. Sobald ein solches Angebot, besser Prototyp steht, gilt es, bei allen Beteiligten um Unterstützung für diese Produkte zu werben und Erkenntnisse für Richtungskorrekturen zu sammeln und diese bei der weiteren Feinplanung zu berücksichtigen.
Für den Prototyp gilt bereits Gesagtes: Er muss sich an seinem Nutzenpotenzial für alle Beteiligten messen lassen. Mangelt es am Nutzen, ist er nicht transparent genug formuliert oder profitieren nur wenige kurzfristig von diesem, muss weiter optimiert werden.
Ein Prototyp hält die Kosten, insbesondere in Krisen und Zeiten enger Liquidität überschaubar und realisiert bei Erfolg rasche Ergebnisse. Übrigens: Man muss nicht alles selbst machen. Durch erfolgreiche Kooperation mit anderen Unternehmen lässt sich oft genug der Fächer der Möglichkeiten erweitern und das zum Nutzen aller Beteiligten.
2.3 Das neue Geschäftsmodell
Hat sich dieser Prototyp im Markt etabliert, besteht die Möglichkeit, diesen entlang der Wertschöpfungskette zu erweitern, ihn mit Zusatznutzen zu versehen, auf bereits bestehende Produkte zu übertragen oder aber das nächste Projekt aus der Liste zu „launchen“. Nach dieser Vorgehensweise kann nach und nach der gesamte Betrieb, einschließlich Marketingkonzeption, Vertrieb und Produktion auf und an neue Produkte angepasst werden. Die Geschwindigkeit ist dabei sekundär. Viel bedeutender sind die Nachhaltigkeit der Maßnahmen und deren Konsequenz in Umsetzung und Abschluss. Wichtig: Bereits mit der Etablierung des Prototyps ist es elementar, auch ein Controlling für das Ergebnis dieses Produktes zu implementieren, das alle Wertschöpfungsstufen erfassen und darstellen kann. Nur so können Erkenntnisse wieder in die Produktoptimierung einfließen.
2.4 Vier Phasen zur Entwicklung eines krisenfesten Geschäftsmodels
Der gesamte Ablauf zur Optimierung der Krisenfestigkeit eines Geschäftsmodells gliedert sich in vier Phasen:
- Phase 1: Chancen erkennen durch das systematische Suchen nach den ganz individuellen Potenzialen und Stärken des Unternehmens. Zu finden sind diese Chancen in den Abweichungen zwischen üblichen Angeboten und den tatsächlichen Bedürfnissen der Kundenzielgruppe. Wenn Kunden also nicht das bekommen, was sie haben wollen oder unbedingt gebrauchen.
- Phase 2: Chancen bewerten im Hinblick auf die möglichen Erfolgsaussichten im Kontext der aktuellen Unternehmenssituation. Szenarioanalysen erleichtern hier die Beurteilung kurz- und mittelfristiger externer und interner Einflüsse auf das Geschäftsmodell und unterstützen die Bewertung.
- Phase 3: Chancen entwickeln durch Erzeugung und Einwerbung von möglichst viel Unterstützung und Begeisterung für das geänderte Geschäftsmodell bei allen Beteiligten. Die Erfolgsaussichten der Umsetzung eines effektiven Geschäftsmodells sind dort am größten, wo es die meiste Unterstützung von außen gibt.
- Phase 4: Chancen realisieren durch die Umsetzung des Geschäftsmodells, der Implementierung eines dazu passenden Marketingkonzeptes sowie eines Controlling-Instruments zur Absicherung der erreichten Ergebnisse. So wird eine nachhaltige Wertschöpfung für alle Beteiligten erreicht.
3 Praxisfälle
3.1 Die Tankstelle
Eine kleinere freie Werkstatt mit angeschlossener Tankstelle erwirtschaftete 2013 durchaus auskömmliche Ergebnisse mit der Tankstelle und dem angeschlossenen Shop, war allerdings in der Werkstatt aufgrund mangelnder Effizienz und fehlendem USP per Saldo defizitär.
Ein mit dem Inhaber und dem Werkstattleiter durchgeführter Workshop förderte als Ergebnis die Fähigkeit zutage, elektronische Probleme an modernen Fahrzeugen sowohl exakt ermitteln, als auch reparieren zu können. Es waren sowohl die technischen als auch personellen Voraussetzungen bereits vorhanden.
Diese besondere Problemlösungsfähigkeit wurde durch ein Marketingkonzept unterstützt. Die Spezialisierung und damit die individuellen Fähigkeiten machten den Unterschied zum Wettbewerb deutlich und nach und nach wurde die Werkstatt überregional bekannt für dieses Angebot. Es gelang ferner durch den Einsatz eines Controlling-Systems die Effizienz der Werkstatt zu steigern, und mit dem USP eine gute Grundauslastung in der Werkstatt zu erzeugen.
3.2 Die Druckerei
Eine Druckerei stellt seit vielen Jahren für einen größeren, europaweit aufgestellten Spezialwerkzeughersteller Bedienungsanleitungen, Ersatzteilpläne, Wartungsanleitungen, etc. für deren Produkte bei. Das Geschäftsmodell war erfolgreich, auskömmlich, aber anfällig, da ein großer Teil des Umsatzes der Agentur auf diesen Großabnehmer entfiel.
In einen Workshop wurde herausgearbeitet, dass über die Jahre profundes Wissen im Umgang, bei der Erstellung und punktgenauen Beistellung von technischen Publikationen gesammelt worden ist, man sich dessen vordergründig jedoch gar nicht bewusst war.
Auch andere Hersteller mit ähnlich komplexen Produkten benötigten solche Unterlagen und waren für ein Outsourcing dieser Unterlagen ansprechbar. Zwischenzeitlich kann mehrfach dieses Konzept auch auf ähnliche Betriebe ausgerollt werden.
4 Fazit
Krisenfeste und erfolgreiche Geschäftsmodelle kommen also nicht von ungefähr, sondern können systematisch durch die Nutzung vorhandener, aber oft verdeckter Chancen entwickelt werden. Dabei sollte man sich etwas weniger vom eigenen, zu Zeiten der Gründung oft euphorischen Glauben an den Nutzen seines Produktes tragen lassen, sondern vielmehr von der richtigen Strategie und der professionellen Optimierung des Geschäftsmodells durch einen sachkundigen Spezialisten. Sanierungen bleiben Ausnahmesituationen für Unternehmen und Unternehmer und können in der Regel nicht durch das bisherige Management erfolgreich geplant und umgesetzt werden. Fachlich spezialisierte Sanierungsberater und öffentliche Förderprogramme können bei der Sanierung von Unternehmen unterstützen und bei systematischer und konsequenter Vorgehensweise wird ein nachhaltiger Erfolg so Stück für Stück planbar.