Prof. Dr. Isabel von Keitz zu den aktuell größten Herausforderungen der Unternehmensberichterstattung für die Unternehmen in der Praxis.

Zunächst stehen die Unternehmen vor der Herausforderung, den Überblick über die sich sehr dynamisch fortentwickelnden Anforderungen und Neuerungen im Hinblick auf die Unternehmensberichterstattung zu behalten, um die Relevanz für das eigene Unternehmen beurteilen zu können. Dies ist aufgrund der hohen Schlagzahl und Komplexität der neuen Regelungen, aber auch aufgrund der gestiegenen Anzahl an Stakeholdern mit unterschiedlichen Erwartungen und der zunehmenden Anzahl an Normengebern nicht leicht. Das Handbuch Unternehmensberichterstattung bietet in seinem ersten Teil einen systematischen Überblick über die Entwicklungen, den Status quo sowie absehbare künftige Berichtspflichten.

Auslegungs-, Anwendungs- und Gestaltungsfragen müssen geklärt werden

Ist die Frage, welche Berichtspflichten ab wann zu beachten sind, für das eigene Unternehmen geklärt, schließen sich zahlreiche Herausforderungen bei der praktischen Umsetzung der unterschiedlichen Berichtspflichten an. So ergeben sich vielfach inhaltliche Auslegungsfragen, aber auch Anwendungs- und Gestaltungsfragen, um den Erwartungen der verschiedenen Adressaten gerecht zu werden. Viele dieser Fragen müssen geklärt werden, bevor die Systeme und Prozesse zur konzernweiten Erhebung der offenzulegenden Angaben etabliert werden können. Hilfestellung dazu bietet der zweite Teil des Handbuchs Unternehmensberichterstattung, in dem aus der Perspektive von verschiedenen Stakeholdern die Herausforderungen und Erwartungen an die zunehmenden Anforderungen an die Unternehmensberichterstattung beleuchtet werden.

Zu den Herausgebern

Isabel von Keitz ist Professorin für BWL, insbesondere (internationales) Rechnungswesen an der FH Münster. Ihre Lehr- und Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich nationale und internationale Rechnungslegung, Berichterstattung und Unternehmensanalysen. Sie ist bzw. war Mitglied in diversen Gremien (z.B. HGB-Fachausschuss des DRSC, FAB des IDW). Darüber hinaus ist Frau von Keitz als Gutachterin, Beraterin und Coach tätig. Inge Wulf ist Professorin für BWL, insbesondere Unternehmensrechnung an der Technischen Universität Clausthal. Ihre Lehr- und Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen der Rechnungslegung nach HGB und IFRS, Abschlusspolitik und -analyse sowie der CSR-Berichterstattung. Sie ist u.a. Beirätin im Zentralen Arbeitskreis Rechnungslegung des VDMA und Mitglied in der European Accounting Association. Clemens Pelster ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der FH Münster und Doktorand in Kooperation mit der Technischen Universität Clausthal. Seine Lehr- und Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Rechnungslegung (HGB und IFRS) und (freiwillige) Berichterstattung, insbesondere über digitale Transformation von Unternehmen.

Digitalisierung

Clemens Pelster über die Herausforderungen und mögliche Vorteile der Digitalisierung und das einheitliche europäische Berichtsformat ESEF.

Digitalisierung wirkt sich auf den gesamten Prozess der Unternehmensberichterstattung aus. So ist die Berichterstellung – mit der Generierung, Sammlung und Aufbereitung von Daten – genauso wie die Offenlegung und Verbreitung fertiger Berichte und sogar die Auswertung durch Adressaten betroffen. Die Berichterstellung kann beispielsweise bereits heutzutage bis zu einem gewissen Grad automatisiert werden, indem mittels sogenannter Disclosure Management Systeme die relevanten Daten direkt aus den Datenbanken des ERP-Systems eines Unternehmens geladen werden. Dadurch können nicht nur die Zahlen im Jahresabschluss auf Knopfdruck aktualisiert, sondern auch – zum Beispiel durch KI-Unterstützung – ganze Textstellen mit Würdigungen dieser Zahlen in ergänzenden Berichtsinstrumenten wie dem Lagebericht angepasst werden.

Abkehr vom Print-Bericht, Zuwendung zu digitalen Formaten

Aktuelle Trends und Möglichkeiten zur Form der Offenlegung und Verbreitung digitaler Berichte zeigen Dr. Eloy Barrantes (nexxar GmbH) und Ass.-Prof. Dr. Stéphanie Mittelbach-Hörmanseder (Wirtschaftsuniversität Wien) ausführlich in ihrem Beitrag auf. Dazu gehören die Abkehr vom (analogen) Print-Bericht und Zuwendung zu digitalen Formaten wie (interaktiven) PDF, Online-Geschäftsberichten auf HTML-Websites und künftig insbesondere XBRL (eXtensible Business Reporting Language) als wesentliches Element des europäischen Berichtsformats ESEF (European Single Electronic Format) sowie auch neue Verbreitungskanäle (beispielsweise über Social Media). Eine Kombination der digitalisierten Berichtserstellung mit einer Online-Offenlegung macht schließlich auch eine Live-Berichterstattung möglich. 

EU-Vorgaben erfordern maschinenlesbares Berichtsformat

ESEF ist ein Berichtsformat, das nach Vorgabe der EU seit dem Berichtsjahr 2020 von allen Mutterunternehmen, deren Wertpapiere innerhalb der EU an regulierten Märkten gehandelt werden, bei der Finanzberichterstattung verwendet werden muss. So müssen die betroffenen Unternehmen zum einen ihre Jahres-/Konzernabschlüsse und (Konzern-)Lageberichte in der eXtensible Hypertext Markup Language (XHTML) offenlegen und zum anderen die Finanzgrößen der in diesem Format erstellten (IFRS-)Konzernabschlüsse (konkret Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung inklusive sonstigem Ergebnis bzw. Gesamtergebnisrechnung, Kapitalflussrechnung und Eigenkapitalveränderungsrechnung) sowie bestimmte Basisinformationen entsprechend einer vorgegebenen Basistaxonomie mit XBRL-Tags kennzeichnen.

Neu ab 2022: XBRL bestimmter Anhangangaben

Ab dem Geschäftsjahr 2022 ist diese Kennzeichnung auf bestimmte Anhangangaben auszuweiten, wobei diese für zusammenhängende Textblöcke vorzunehmen ist. Der Vorteil solcher ESEF-Berichte ist, dass sie durch diese systematische Kennzeichnung maschinenlesbar sind und durch eine Inline XBRL (iXBRL-)Spezifikation gleichzeitig auch menschenlesbar bleiben.

Rechnungslegungs- und IT-Kenntnisse erforderlich

Herausforderungen bestehen für Unternehmen darin, zunächst die „Übersetzung“ in dieses Format und die Kennzeichnung der Informationen vorzunehmen. Bei der Implementierung ist eine Kombination aus Rechnungslegungswissen und IT- bzw. XBRL-Kenntnissen erforderlich, was zur Inanspruchnahme kostspieliger Beratungsangebote von außen führen kann. Nicht einfacher macht es zudem die jährliche Aktualisierung der Basistaxonomie, die eine Überarbeitung der freiwillig/selbstständig vorgenommenen Erweiterungen erfordern kann. Ausführlich hat sich Dr. Rüdiger Schmidt (KPMG) in einem Kapitel des Handbuchs Unternehmensberichterstattung den Anforderungen und Herausforderungen des ESEF gewidmet.

Vorteile und Risiken der digitalen Berichterstattung

Durch die Verwendung digitaler Technologien können die Effektivität und Effizienz des gesamten Reportingprozesses gesteigert werden, indem sowohl die Geschwindigkeit erhöht, der Aufwand reduziert als auch das Ergebnis verbessert werden kann. So werden beispielsweise gründliche Validierungs- und Qualitätsprüfungen entlang des gesamten Prozesses ermöglicht.

Vorteil: Adressatenspezifischer, nutzerfreundlicher

Gleichzeitig kann die Berichterstattung im Sinne eines Customized Reportings adressatenspezifischer ausgerichtet und nutzerfreundlicher aufbereitet werden. Der aufgrund steigender regulatorischer Anordnungen und immer höher ausfallenden Berichtsumfängen vieldiskutierte „information overload“ büßt dadurch an Bedeutung ein. Dabei spielt sowohl die leichtere Auffindbarkeit von für den Adressaten relevanten Informationen in digitalen Berichten als auch die bereits im Zusammenhang mit dem ESEF angesprochene Möglichkeit zur automatisierten Auswertung maschinenlesbarer Berichte eine Rolle. Das Nutzungsverhalten der Adressaten kann wiederum durch die Berichterstatter ausgewertet werden, um beispielsweise relevante Schwerpunkte zu identifizieren und die Berichterstattung weiter zu verbessern.

Risiken durch Verlinkungen, Cyberrisiken

Risiken können sich beispielsweise daraus ergeben, dass Inhalte eigentlich abgegrenzter Berichtsinstrumente durch Verknüpfungen und Verlinkungen in digitalen Berichten noch stärker vermischt werden. Sowohl Abschlussprüfer als auch Adressaten müssen zudem selbst die technischen Möglichkeiten haben, um mit der digitalen Berichterstattung umgehen zu können. Der gesamte Reportingprozess ist zudem durch Cyberrisiken bedroht. Durch Systemausfälle und Hackerangriffe könnten zum Beispiel sowohl die Berichterstellung als auch die Online- oder sogar Live-Offenlegung beeinträchtigt bzw. verfälscht werden.

Nachhaltigkeitsberichterstattung

Seit 2017 sind kapitalmarktorientierte Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern zur Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichtet. Die EU arbeitet derzeit an einer überarbeiteten Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung, die voraussichtlich für Geschäftsjahre ab dem 1.1.2023 in Kraft treten soll. Prof. Dr. Isabel von Keitz über die Änderungen, auf die sich Unternehmen in Deutschland diesbezüglich einstellen müssen:

Der am 21.4.2021 von der Europäischen Kommission vorgelegte Vorschlag zur Anpassung der CSR-Richtlinie sieht unter anderem folgende Änderungen vor:

• Der Kreis der zur Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichteten Unternehmen wird ausgeweitet. Demnach müssten künftig fast alle an einem regulierten Markt gelisteten Unternehmen und zudem große nicht-kapitalmarktorientierte Unternehmen einen Nachhaltigkeitsbericht offenlegen. In Deutschland würde dies rund 15.000 statt bisher 500 Unternehmen betreffen.
• Darüber hinaus sieht der Entwurf der CSRD eine Ausweitung sowie Standardisierung der Berichtinhalte vor. So wird zum einen klargestellt, dass sowohl über Inside-out-Auswirkungen als auch über Outside-in-Auswirkungen zu berichten ist. Insbesondere in Deutschland wurde die doppelte Wesentlichkeit bisher sehr eng ausgelegt. Zum anderen sind im Vergleich zur bisherigen Richtlinie neue Angabepflichten vorgesehen, zum Beispiel eine Beschreibung der Ziele und Fortschritte im Hinblick auf das Nachhaltigkeitsmanagement sowie eine Berichterstattung über immaterielle Werte. Der Entwurf sieht zudem vor, die EU-Kommission zu ermächtigen, Standards zu veröffentlichen, in denen die Berichtpflichten konkretisiert werden. Diese sollen die Vergleichbarkeit der Nachhaltigkeitsberichte fördern. Erste Standardentwürfe liegen bereits vor.
• Weitere Änderungen betreffen das Berichtsformat und die Prüfungspflicht. So sollen die Angaben künftig verpflichtend in den (Konzern-)Lagebericht integriert werden, maschinenlesbar sein und zumindest mit begrenzter Sicherheit geprüft werden.

Gemäß dem im April 2021 veröffentlichten Entwurf der CSRD sollen die Änderungen bereits in 2024 für die Geschäftsjahre 2023 anzuwenden sein. Aufgrund der weitestgehend einhelligen Ansicht, dass dieser Zeitplan kaum realisierbar ist, wird aktuell eine stufenweise Inkraftsetzung der CSRD in den Jahren 2024 (für Unternehmen von öffentlichem Interesse) und 2025 (alle großen Kapitalgesellschaften) diskutiert.

Hier auf ComplianceDigital führt Prof. Dr. Inge Wulf aus, welche aktuellen Richtlinien und Gesetze Unternehmen für ihre Berichterstattung im Jahr 2022 ganz besonders im Blick haben sollten.

Handbuch Unternehmensberichterstattung Herausgegeben von: Prof. Dr. Isabel von Keitz, Prof. Dr. Inge Wulf, Clemens Pelster Die Unternehmensberichterstattung entwickelt sich äußerst dynamisch weiter. Gerade nichtfinanzielle Berichterstattungselemente wenden sich an einen immer breiteren Stakeholderkreis. Welche Berichtpflichten von welchen Unternehmen in welchen Formaten für welche Adressaten offenzulegen sind, nehmen 30 Experten in diesem Handbuch systematisch in den Blick. Teil 1 zeigt für die verschiedenen Berichtselemente neben Berichtsinhalten, Anwenderkreisen, Zielsetzungen, Gestaltungsmöglichkeiten und prüfungsrechtlichen Anforderungen auch neue Kommunikationswege auf: Jahres- und Konzernabschluss Konzernlagebericht Nichtfinanzielle Berichterstattung Vergütungsbericht Corporate Governance-Bericht Zahlungsbericht Integrated Reporting Value Reporting ESEF/XBRL als europäisches Offenlegungsformat Trends und Möglichkeiten der digitalen Berichterstattung Teil 2 beleuchtet die Sicht der unterschiedlichen Stakeholdergruppen. Erfahrene Repräsentanten verdeutlichen die sich ändernden Erwartungen der Standardsetter, Unternehmen verschiedener Größe, Abschlussprüfer, Investoren, Arbeitnehmervertreter und NGOs.

(ESV, uw)