Über „den“ Beratungsmarkt wird regelmäßig gesprochen, seine Entwicklung gern beobachtet. Ich selbst habe das im Rahmen dieser Kolumne mehrfach getan. Aber oft ist unklar, was „der“ Beratungsmarkt eigentlich ist.
Oft stammen die Angaben aus verschiedenen Quellen und scheinen nicht zueinander zu passen. In dieser Kolumne versuche ich daher, ein wenig Ordnung in die Zahlenwelt zu bringen.
Häufig werden die vom Bundesverband Deutscher Unternehmensberater BDU erhobenen Daten als Basis herangezogen. Das ist grundsätzlich eine gute Idee, da der BDU diese Daten seit längerem zur Verfügung stellt (mit einiger Recherchearbeit konnte ich das Marktvolumen bis 1965 zurückverfolgen; nicht lückenlos, aber immerhin).
Der BDU sieht für den Beratungsmarkt 2019 in Deutschland ein Volumen von 35,7 Mrd. Euro – 2018 waren es 33,8 Mrd. Euro und 2017 31,5 Mrd. Euro. Wichtig zu verstehen ist, dass dieser Markt heterogen ist und man ihn für die weiteren Überlegungen verschiedentlich unterteilen kann, etwa in Beratungsfelder bzw. entsprechend dem Gegenstand der Leistungserbringung (Strategieberatung, Organisations- & Prozessberatung, HR-Beratung, IT-Beratung) oder mit Hilfe der Umsatzgröße der Beratungsunternehmen.
Die Daten des BDU werden nicht nur aus Gründen der zeitlichen Konsistenz gern genommen, sondern auch, weil sie sehr zeitnah publiziert werden. Oft werden schon im März eines Jahres Marktvolumina des Vorjahrs kommuniziert. Zeitlich hinterher hinkt da beispielsweise die FEACO, der europäische Dachverband der Consulting-Industrie, da dort die Marktdaten der Mitgliedsverbände (für Deutschland ist dies der BDU) eingesammelt und aufbereitet werden. Aktuell finden sich auf den Internetseiten der FEACO noch die Marktdaten für 2018. Wichtig erscheint mir der Hinweis, dass die Daten der Länder in einer Zeitreihe konsistent sind, nicht aber zwingend im internationalen Vergleich. Den 33,8 Mrd. Euro des deutschen Beratungsmarktes 2018 stehen „nur“ 12 Mrd. Euro für den UK-Markt gegenüber. Das Vereinigte Königreich ist zwar mit Blick auf zum Beispiel die Zahl der Einwohner und das Bruttoinlandsprodukt etwas kleiner als Deutschland, aber nicht so viel, als dass es den deutlichen Unterschied im Beratungsmarkt erklären könnte. Zumal die Erfahrung zeigt, dass im Vereinigten Königreich seit längerem eine Offenheit gegenüber der Auslagerung von Unterstützungsleistungen besteht.
Will man auf amtliche Zahlen zum Beratungsmarkt zurückgreifen, dann hilft das Statistische Bundesamt weiter. Dort werden unter anderem die Umsätze mit allen Beratungsdienstleistungen ausgewiesen, zuletzt waren das 126 Mrd. Euro. Zieht man die Umsätze von beratenden Professionen ab und fokussiert auf die Unternehmensberater, so landet man bei 32,9 Mrd. Euro Umsatz – allerdings für das Jahr 2017. Das sind die jüngsten Daten, die im September 2019 veröffentlicht wurden, also gut 1,5 Jahre nach den BDU-Daten. Die Differenz von 1,5 Mrd. Euro zwischen den beiden Quellen (für 2017) könnte mit einer unterschiedlichen Erhebungsmethode oder Genauigkeit begründet werden. Aber in der Größenordnung stimmen beide überein.
Für ein großes Interesse in der Fachöffentlichkeit sorgen auch die jährlich publizierten „Lünendonk-Listen“ des Marktforschungsunternehmens Lünendonk & Hossenfelder. Auch sie werden seit vielen Jahren zur Verfügung gestellt und dienen der Orientierung. Die Liste der „führenden Managementberatungen“ enthält die Umsätze der größten aus Deutschland stammenden Managementberatungen sowie Umsätze von großen internationalen Beratungen, die in Deutschland aktiv sind. Für 2019 schreibt Lünendonk den insg. 33 betrachteten Unternehmen ein Umsatzvolumen von 9,7 Mrd. Euro zu. Zusätzlich wird eine Liste mit den 25 führenden IT-Beratungs- und Systemintegrations-Unternehmen in Deutschland publiziert. Spätestens bei der Betrachtung dieser beiden Listen wird deutlich, dass kein 1:1-Vergleich mit dem BDU-Gesamtmarkt möglich ist. Der Blick in die beiden Listen und eine grobe Zuordnung der typischen Beratungsleistungen der dort führenden Anbieter lässt aber meines Erachtens den Schluss zu, dass in der Liste der Managementberatungsunternehmen solche enthalten sind, die beim BDU in den beiden Beratungsfeldern Strategie und Organisation & Prozesse gezählt werden. Die Lünendonk-Liste für Managementberatung hilft also nicht bei der Größenabschätzung des Marktes, wohl aber bei einer Messung der Marktkonzentration.
Alle bisher betrachteten Sichten sind stark lokal bzw. national geprägt. Daneben gibt es (mindestens) zwei Ansätze, den deutschen Beratungsmarkt aus einer internationalen Perspektive zu beschreiben. Der erste Ansatz stammt vom britischen Marktforschungsunternehmen Source Global Research. Source schätzt den globalen Beratungsmarkt auf 160 Mrd. US-Dollar (ca. 143 Mrd. Euro). Der deutsche Anteil daran beträgt 9,3 Mrd. Euro. Dies ist deutlich weniger als z.B. die Daten des Statistischen Bundesamts oder des BDU hergeben. Aber auch den 12 Mrd. Euro für UK der FEACO stehen „nur“ 9,7 Mrd. Euro bei Source gegenüber. Man scheint also etwas einschränkender zu messen.
Zumindest für Deutschland kann mit Hilfe von weiteren BDU-Daten die Datenlücke ein wenig geschlossen werden. Source spricht verschiedentlich davon, auf „Big Consulting“ zu fokussieren und meint damit Beratungen mit mehr als 50 Mitarbeitern, die vornehmlich große Kunden bedienen. Beratungsunternehmen dieser Größe sind in Deutschland in der Minderheit.
Für Deutschland schlüsselt der BDU ausgewählte Daten von Beratungen mit unterschiedlichen Jahresumsätzen auf. Von den 35,7 Mrd. Euro Branchenumsatz machen die Beratungen in den kleineren und mittelgroßen Kategorien 20,7 Mrd. Euro aus, und die Beratungen der größten Kategorie 15 Mrd. Euro. Damit wird die Lücke zwischen Source und BDU zwar nicht komplett geschlossen, aber zumindest etwas verringert. Die verbleibende Differenz könnte aus Erhebungsmethoden, unterschiedlichen Granularitätsgraden oder – insbesondere mit Blick auf die strukturellen Volumenunterschiede zwischen Source und den nationalen Verbänden, die bei der FEACO zusammenlaufen – aus einer unterschiedlichen Definition von „Consulting“ oder „Beratung“ resultieren.
Der zweite internationale Ansatz wurde erstmas im Juni 2020 vorgestellt. Initiiert vom International Council of Management Consulting Institutes (ICMCI) wurden der globale sowie ausgewählte nationale Beratungsmärkte mit Hilfe von allgemein verfügbaren Variablen (z.B. BIP) statistisch ermittelt. Den Ergebnissen zufolge ist der globale Beratungsmarkt 255 Mrd. US-Dollar (225 Mrd. Euro) groß, der deutsche Markt 8,9 Mrd. Euro. Auch hier sehen wir wieder eine Differenz zu den etablierten lokalen Quellen.
Als kleines Fazit kann festgehalten werden, dass die unterschiedlichen Marktdaten auf den ersten Blick sehr verschieden aussehen, sie sich aber dennoch zueinander überleiten lassen. Grafisch habe ich das hier mit einem Wasserfallchart versucht.
Unterschiede und Irritationen können sich aber beim Betrachten durch mindestens vier Faktoren ergeben:
Um sich nicht aufs Glatteis führen und irritieren zu lassen ist es hilfreich, die Hintergründen und Erhebungsbesonderheiten der jeweiligen Marktdaten zu kennen.
Aber bitte denken Sie mit: Sind diese Feinheiten überhaupt relevant? Und wenn ja, für wen?
Fragen, Anmerkungen und Anregungen sind gerne gesehen! Bitte schreiben Sie an Redaktion.Consultingbay@esvmedien.de oder auf Twitter: @Ueber_Beratung
Handbuch der UnternehmensberatungHerausgegeben von: Prof. Dr. Thomas Deelmann, Dirk Michael OckelBeratung weiter denken.
Eine exzellente Wissensquelle für alle, die Beratungskompetenzen auf hohem Level ausbauen möchten: Berater und beratungsnahe Dienstleister, auftraggebende Unternehmen, Forscher und Marktbeobachter. |
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