In den vergangenen Monaten wurde viel über die Digitalisierung der Beratungsbranche nachgedacht. Selber durfte ich mehrere Workshops mit Praktikern und Forschern zu so genannten ConsulTech-Themen durchführen. Auch an dieser Stelle gab es schon einen Denkanstoß von mir.

Rütteln an den Grundfesten der Branchen

Bei der inhaltlichen Dreiteilung Beratungsprodukt, interne Effizienz, Geschäftsmodellveränderung ist der erste Aspekt weiterhin ein modischer und bewegt die diversen Kundenindustrien. Der zweite scheint langsam aber sicher durch die Beratungen zu diffundieren – analog zur Situation in vielen anderen Organisationen. Der dritte Punkt hingegen ist für mich weiterhin der spannendste, da er an den Grundfesten der Branche rütteln könnte.

Kolumne 3.2019	27.05.2019
Deelmanns Denkanstoß: ConsulTech - oder: Ist das „People Business” bald „people-free”?
	Beratung wird oft als „people business“ bezeichnet. Zunehmend ergänzt (oder ersetzt) aber im Rahmen der Digitalisierung die Technik den Menschen bzw. das menschliche Beratungshandeln. Mehr …

Self-Service-Consulting mit Bots

Tobias Greff, Tim Kappel und Dirk Werth vom AWS-Institut für digitale Produkte und Prozesse in Saarbrücken haben Optionen des Self-Service-Consultings untersucht und vier Stufen identifiziert, auf denen sich beispielsweise Bots bewegen können (Quelle: IM+io 1/2019, S. 46-49):

1. Vorstrukturierte Wissensabfrage
2. Logik & regelbasierte einfache Empfehlungen
3. Intelligente Analyse & Maßnahmen-Empfehlung
4. Dynamische Konversation & Empfehlungen durch selbstlernende Künstliche Intelligenz

Aktuell vorhandene Consulting-Bots verorten sie auf der zweite Stufe. Hier ist also noch „Luft nach oben“.

Vorreiter Finanzbranche!?

Die Finanzbranche scheint hier schon weiter zu sein. Die Robo-Advisors helfen den Kunden schon heute beim Management des privaten Finanzportfolios. Hierbei werden Algorithmen genutzt, um auf Basis von persönlichen Anlage- und Risiko-Präferenzen individuelle Investitions-Portfolios zu erstellen. Gegenüber der klassischen Anlageberatung werden hier regelmäßig die Kostenvorteile herausgestellt. Geringere Kosten durch eine Skalierung spielen auch bei den Bots der Unternehmensberater eine große Rolle.

Eine neue Studie der britischen Großbank HSBC wirft nun aber ein eher ungünstiges Licht auf die Profitabilität der Robo-Advisors, wie der Economist berichtet (Ausgabe vom 27.07.2019, S. 54-55; Berichterstattung hier): Die Gewinnschwelle erreichen sie erst, wenn sie ein „Asset Under Management“-Volumen von 11,3 Milliarden US-Dollar (in den USA) oder 3,5 Milliarden US-Dollar (in Europa, hier sind die von den Kunden gezahlten Gebühren noch etwas höher) erreichen. Momentan erreichen den Break-Even-Point der Studie zufolge nur zwei (!) amerikanische Anbieter.

Die Nachhaltigkeit von automatisierten Beratungsleistungen im Finanzsektor steht also in Frage – und dies, obwohl hier der Massenmarkt fokussiert wird. Der Markt für Unternehmens- und Verwaltungsberatung ist eher klein und kleinteilig und die Fragestellungen sind sehr individuell.

Die Frage, ob sich eine Automatisierung des Beratungsgeschäftsmodells durchsetzen wird – oder finanziell „lohnt ”– kann durch den Blick auf die benachbarte Finanzberatungsbranche zwar nicht beantwortet werden. Aber die kritische Perspektive gewinnt dadurch etwas Oberwasser. Denn: Wenn ein Digitalisierungs- und Automatisierungsengagement nicht wirtschaftlich zu werden scheint, warum sollte ich es dann realisieren – und mein traditionelles (und profitables) Beratungsgeschäft kannibalisieren?

Bitte denken Sie mit: Lassen sich die Erfahrungen mit den Robo-Advisors aus der Finanzbranche auf die Unternehmensberatung übertragen? Kann eine Digitalisierung und Automatisierung des Geschäftsmodells wirtschaftlich erfolgen?

Fragen, Anmerkungen und Anregungen sind gerne gesehen! Bitte schreiben Sie an: Redaktion.Consultingbay@esvmedien.de und folgen Sie mir auf Twitter: @Ueber_Beratung

Digitalisierung der Unternehmensberatung: Erfahren Sie hier mehr Die Digitalisierung macht auch vor den Digitalisierern nicht halt. Inwieweit die Digitalisierung das Geschäftsmodell von Unternehmensberatungen wirklich verändert oder gar disruptiert, soll im Beitrag Consulting 4.0: Exponentielle Lernkurve oder Ende der klassischen Unternehmensberatung von Thomas Löwer im Handbuch der Unternehmensberatung untersucht werden. Grundlagen sind eine qualitative sowie quantitative Umfrage unter Beratungsfirmen, die in Zusammenarbeit mit dem BDU durchgeführt wurden. Die Resultate geben Aufschluss, wie digital Unternehmensberatungen arbeiten und wie sich das Consulting-Geschäftsmodell auf den Ebenen Wertversprechen (Value Proposition), Werterstellung (Value Creation) und Wertabschöpfung (Value Capturing) verändert. Mehr...