Kooperationen im Nonprofit-Bereich: Relevanz und Herausforderungen
Der deutsche gemeinnützige Sektor umfasst im Moment über 600.000 rechtsfähige Vereine, über 21.000 rechtsfähige Stiftungen und ebenfalls über 20.000 gemeinnützige Kapitalgesellschaften.1 Er ist damit einer der größten Nonprofit-Bereiche weltweit. Die Zahlen nehmen jährlich um 2–3 Prozent zu. Ein Instrument für gemeinnützige Organisationen, den vielfältigen Herausforderungen ihrer Tätigkeit zu begegnen, besteht im Zusammenschluss mit anderen NPOs, Behörden oder Unternehmen. Die Bandbreite reicht vom informellen Aus-tausch in Arbeitskreisen über finanzielle Unterstützungsleistungen bis zur rechtlichen Verselbständigung von Gemeinschaftsprojekten.
1 Der philanthrope einsame Wolf ist Geschichte
1.1 Kooperationsrelevanz
In den Köpfen der Entscheidungsträger steuerbegünstigter Organisationen spukt er kaum noch – ob größere Projektwirkung oder reiner Überlebensdrang: Der Terminus „Kooperation“ ist keine unheimliche Erscheinung mehr. Für einen Teilbereich gemeinnütziger Körperschaften stand dies schon seit Veröffentlichung der Kurzstudie zu „Stiftungskooperationen in Deutschland“ vom Bundesverband Deutscher Stiftungen fest. Im Untersuchungsjahr 2008 besaß über die Hälfte der 835 Teilnehmer mindestens einen Kooperationspartner.2 Den Beweis dafür, dass Kooperationen im Dritten Sektor über den Stiftungsbereich hinaus eine hohe Praxisrelevanz aufweisen, lieferte schließlich das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) mit der Studie zu „Dritte-Sektor-Organisationen heute“.3 Von den 3.111 steuerbegünstigten Vereinen, GmbHs, Stiftungen und Genossenschaften, die sich an der Untersuchung beteiligten, kooperierten 71 Prozent regelmäßig mit anderen gemeinnützigen Organisationen, 61 Prozent mit staatlichen Einrichtungen und 25 Prozent mit Unternehmen der Privatwirtschaft.4
1.2 Motive für den Eingang von Kooperationen
Gemeinnützige Organisationen verfolgen mit ihren Gemeinschaftsprojekten grundsätzlich ähnliche Ziele wie gewerbliche Unternehmen (z.B. Know-how-Gewinn, Kosteneinsparung, Erschließung neuer Projektfelder). Das Hauptmotiv für den Eingang von Kooperationen ist allerdings als branchenspezifisch zu kennzeichnen: der oben erwähnten Studie des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen zufolge intendieren die meisten NPOs die Verwirklichung einer größeren Projektwirkung.5 Man könnte meinen, dass ein steigender Wirkungsgrad mit dem erhöhten Ressourceneinsatz infolge der Partnerschaft einhergeht. Dem ist aber nicht so; wirtschaftlicher Erfolg ist in diesem Kontext nicht gleichzusetzen mit dem angestrebten gemeinwohldienlichen Effekt. Weitere brancheneigene Kooperationsmotive verweisen auf einen erhöhten Wahrnehmungsgrad sowie die Realisierung finanzieller Unterstützungsleistungen (Spenden, Projektzuschüsse oder Sponsoring). Abgesehen von den genannten Gründen wird die Entscheidung für eine Zusammenarbeit auch von äußeren Faktoren stimuliert. So können etwa niedrige Zinserträge in der Vermögensverwaltung bei Stiftungen oder sinkende Mitgliederzahlen bei Vereinen (z.B. Sportvereine) zu einer „Flucht in die Kooperation“ führen.
2 Herausforderung Gemeinnützigkeit – enger Schutzmantel
Der gemeinnützige Mantel lässt Steuern zwar größtenteils abtropfen, kann aber bezüglich der gesetzlichen Anforderungen, auch im Hinblick auf Kooperationen, schnell sehr warm werden. Das steuerliche Gemeinnützigkeitsrecht setzt sich aus speziellen Vorschriften verschiedener Einzelsteuergesetze und dem Abschnitt „Steuerbegünstigte Zwecke“ der Abgabenordnung zusammen. In nahezu allen wichtigen Einzelsteuergesetzen finden sich Steuerbefreiungen bzw. -vergünstigungen für Körperschaften (keine Einzelunternehmen und Personengesellschaften), die ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgen („Besonderer Teil des Gemeinnützigkeitsrechts“). Die Vorschriften regeln Art und Umfang der Steuervergünstigungen sowie weitere Prämissen für deren Inanspruchnahme. Überdies enthalten sie jedoch keine näheren Erläuterungen, sondern verweisen auf den dritten Abschnitt des Steuerschuldrechts (§§ 51 bis 68 AO); dieser umfasst die generellen Voraussetzungen für eine Steuerbegünstigung.
Angesichts der wachsenden Bedeutung von Kooperationen im Nonprofit-Bereich tritt eine in der Praxis bisher wenig beachtete Vorschrift mit neuem Eifer hervor: das Unmittelbarkeitsgebot nach § 57 AO. Die Renaissance der Regelung ist auf den Dualismus zwischen eigener und kooperativer Zweckerfüllung zurückzuführen. Während § 57 AO die Selbstverwirklichung der Satzungszwecke fordert, bedingen Kooperationen naturgemäß Elemente wie Arbeitsteilung und Mitwirkung. Das Unmittelbarkeitsgebot stellt somit generell eine Beeinträchtigung der Zusammenarbeit von gemeinnützigen Körperschaften dar. Wie hoch diese Kooperationsschranke letztlich ist, beurteilt sich anhand der konkreten Kooperationsform.6
3 Betriebswirtschaftliche Herausforderung – ehrenamtlicher Unternehmer
Die Finanzverwaltung bedingt für gemeinnützige Körperschaften eine Aufteilung der Einnahmen und Ausgaben in vier Tätigkeitsbereiche. Hierzu zählen der ideelle (originäre) Organisationsbereich, die Vermögensverwaltung, der Zweckbetrieb (steuerlich privilegierter wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb) und der steuerpflichtige wirtschaftliche Geschäftsbetrieb. Eine große Herausforderung für die entscheidungsbefugten Organe besteht darin, nicht nur das Gesamtergebnis, sondern gleichermaßen alle Teilbereiche im Auge zu behalten. Die Wahl der Kooperationsform und des Kooperationspartners unterscheidet sich hierbei grundlegend. Während Kooperationen im ideellen Bereich und Zweckbetrieb auf die Verwirklichung gemeinnütziger Projekte abzielen, dienen Zusammenschlüsse in der Vermögensverwaltung und im steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb vorrangig der Erzielung von Gewinnen, die wiederum für die Erfüllung der gemeinnützigen Satzungszwecke eingesetzt werden müssen.
Der Non-Profit-Sektor wird zu einem großen Teil von ehrenamtlich Engagierten getragen. Lediglich 60 Prozent der gemeinnützigen Organisationen verfügen über bezahlte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter; von diesen Beschäftigten arbeiten etwa 40 Prozent in Vollzeit.7 Die Personalstruktur stellt insbesondere für kleine und mittelgroße Organisationen, den zahlenmäßig weitaus größten Teil des Sektors, einen Hemmschuh für Kooperationen dar. Abgesehen von den zeitintensiven strukturellen und rechtlichen Planungsschritten im Vorfeld müssen die Partner vor allem während der Zusammenarbeit die Kommunikation aufrechterhalten. Hier kann die Auslagerung der Projektverwaltung an eine zentrale Kooperationsstelle in Betracht kommen.8
Additional zu der anspruchsvollen Bereichsaufteilung sowie der oftmals dünnen Kapital- und Personaldecke stehen die handelnden Personen vor einer grundsätzlichen Herausforderung: dem Spagat zwischen der Gemeinwohlorientierung und der Einhaltung wirtschaftlicher Grundsätze. Angesichts des steigenden Wettbewerbs in vielen gemeinnützigen Branchen (z.B. Gesundheit, Bildung und soziale Dienste) sehen sich viele Nonprofit-Organisationen mit betriebswirtschaftlichem Optimierungsdruck konfrontiert. Andererseits wollen sie keinesfalls ihr Kernanliegen vernachlässigen. Die Erfüllung eines gemeinnützigen Zwecks geht immer mit dem Transport von Gefühlen und Emotionen einher. Kooperationen können ein Bindeglied zwischen den zwei Ebenen (Gemeinwohlorientierung, wirtschaftliche Grundsätze) bilden und bestenfalls zu einer Verbesserung in toto beitragen.
4 Fazit
Auch im Nonprofit-Bereich spielen Kooperationen eine große Rolle. Das Hauptmotiv liegt in der Erzielung einer größeren gemeinwohldienlichen Projektwirkung. Zur Erfolgsmessung reichen betriebswirtschaftliche Kennzahlen allein aber nicht aus. Hier sind individuelle Wirkungsanalysen notwendig.
Eine große Herausforderung im Hinblick auf Kooperationen im Nonprofit-Bereich stellen die Voraussetzungen des steuerlichen Gemeinnützigkeitsrechts, insbesondere des Unmittelbarkeitsgebots nach § 57 AO, dar. Ferner muss die ebenfalls steuerlich diktierte Aufteilung in vier Tätigkeitsbereiche Beachtung finden. Die Anerkennung und der Fortbestand als gemeinnützige Organisation – im Sinne der §§ 51 ff. AO – hängt von der Einhaltung der steuerlichen Vorschriften ab. In kaum einer anderen Branche prägt das Steuerrecht die Ausrichtung und Finanzierung eines Unternehmens so stark. Aus diesem Grund sind fundierte Kenntnisse im Gemeinnützigkeitsrecht für strukturelle Kooperationsgestaltungen wichtig. Die zweite große Herausforderung besteht in der Balance zwischen Gemeinwohl und betriebswirtschaftlichen Grundsätzen. Kooperationen können hier ein Mittel bilden, um einerseits das gemeinnützige Vorhaben, in Zusammenarbeit mit Dritten, zu stärken und andererseits einem steigenden Wettbewerbsdruck zu begegnen.