BDU-Studie: „Demografie Exzellenz – Herausforderungen im Personalmanagement 2015“
Welche Auswirkungen hat das Thema Demografie auf die deutsche Wirtschaft und wo besteht Handlungsbedarf? Antworten auf diese Fragen liefert die aktuelle BDU-Studie „Demografie Exzellenz 2015“.
„Der Leidensdruck in der deutschen Wirtschaft ist beim Thema Demografie noch nicht hoch genug“ so der Studienautor Prof. Dr. Uwe Schirmer von der Dualen Hochschule Lörrach. Anders lassen sich die Ergebnisse der Umfrage unter 1.500 deutschen Unternehmen nicht erklären.
Auch wenn es viele Unternehmer noch nicht wahr haben wollen. Der demografische Wandel ist in den deutschen Unternehmen angekommen. Richtig spüren werden die Unternehmen den Wandel spätestens im Jahr 2020. Dann gehen die Letzten der Babyboomer-Generation in Rente. Schon heute sind in jedem dritten Unternehmen mehr als 20 Prozent der Mitarbeiter älter als 55 Jahre und in fast jedem zehnten Unternehmen (8,1 Prozent) sind sogar über 40 Prozent der Mitarbeiter älter als 55 Jahre.
Die Folge: Schon jetzt beklagen viele Unternehmen, dass sie freie Stellen nicht oder nur sehr schwer mit geeigneten Kandidaten besetzen können:
- Auszubildende/ dual Studierende: 26,1 Prozent
- Fachkräfte: 46,4 Prozent
- Führungskräfte: 29,4 Prozent
Demografie als bloßes „Lippenbekenntnis“
Doch trotz der eindeutigen Hinweise, so die Studie, werden die demografischen Herausforderungen nach wie vor erheblich unterschätzt. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass das Thema in den Unternehmen nur unzureichend strategisch verankert ist. Zwar finden sich in vielen Leitlinien und Unternehmensgrundsätzen Aussagen über das Thema Demografie wieder. Konkrete Maßnahmen gegen die Folgen des demografischen Wandels sucht man allerdings allzu oft vergebens, so ein Fazit der BDU-Studie. Nur 30 Prozent der Unternehmen haben ein Demografie-Management als strategisches Ziel ernsthaft verankert – oftmals allerdings ohne ein ausreichendes Finanzbudget. Die geringe Bereitschaft, bei gerade 4,2 Prozent der Unternehmen ein eigenes Budget für demografieorientierte Maßnahmen bereit zu stellen, unterstreicht in den Augen der Autoren eindrucksvoll die Verkennung der strategischen Dimension.
Kein belastbares Personalcontrolling
Ein großes Versäumnis stellt nach Ansicht der Studienautoren ebenfalls das Fehlen eines belastbaren Personalcontrollings dar. Gerade in kleinen und mittelgroßen Unternehmen (KMU) haben die Verantwortlichen keine genaue Vorstellung über die Zusammensetzung ihrer Belegschaft. Oft reagieren Firmen erst dann, wenn es zu spät ist, wenn z. B. ein wichtiger Wissens- und Kompetenzträger krank wird.
Ein weiteres Versäumnis sehen die Studienautoren in der ungenügenden strategischen Personalplanung. Viel zu selten wird ein Talentmanagement, eine Nachfolgeplanung oder ein zielgruppenspezifisches Marketing betrieben. Laut der Studie betreiben nur 17,9 Prozent eine langfristige Personalplanung über 5 Jahre hinaus. Nur 12,7 Prozent betreiben ein zielgruppenspezifisches Personalmarketing z. B. für ältere, weibliche oder ausländische Arbeitnehmer und nur 30,5 Prozent verfügen über eine systematische Nachfolgeplanung.
Auch Instrumente für ein lebensphasenorientiertes Personalmanagement, wie z. B. Lebensarbeitszeitenkonten spielen in der Praxis ebenfalls eine untergeordnete Rolle. Nur 27,8 Prozent der befragten Unternehmen gaben an, auf die variierenden Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter in den verschiedenen Lebensabschnittsphasen einzugehen.
Diversity gewinnt an Bedeutung – allerdings mit wenig Durchschlagskraft
Das Thema Diversity wird laut Studie mittlerweile in den Unternehmen ernster genommen, wobei die „klassischen“ Themen wie Alter (81, 2 Prozent) und Geschlecht (56,6 Prozent) im Vordergrund stehen. So praktizieren 42, 1 Prozent der befragten Unternehmen ein Diversity Management. Die Verbreitung von Diversity Management korrespondiert allerdings nicht damit, dass bei der Umfrage nur 9,4 % der Unternehmen angaben, spezielle Maßnahmen wie Mentoring, interkulturelle Trainings etc. zum Umgang mit Vielfalt durchzuführen. 76,3 % führten aus, dies gar nicht oder kaum anzubieten. Trotz aller Bemühungen wirken sich Diversity-Kriterien wie Alter, Geschlecht oder sexuelle Orientierung auch heute noch negativ auf die Karriere und das Entgelt aus.
Branche und Größe der Unternehmen haben Einfluss auf Demografie-Maßnahmen
Unterschiede konnten die Studienautoren hinsichtlich der Branche und der Unternehmensgröße feststellen. Während z. B. die Chemiebranche das Thema Demografie schon länger aktiv angeht, hinken die Konsumbranche und der Handel hier hinterher. Auch hinsichtlich der Größe ergeben sich Unterschiede. Während Unternehmen mit mehr als 1.000 Arbeitnehmern in den Bereichen
- Gesundheitsmanagement,
- Mitarbeiterführung und
- Demografie-Controlling
gut aufgestellt sind, können Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeitern gegenüber größeren Unternehmen in den Bereichen
- Personalentwicklung und
- Wissensmanagement
punkten. Hier wirkt sich, so die Schlussfolgerung der Studienautoren, die flexible Struktur von kleinen Unternehmen vorteilhaft aus. Entstehende Qualifizierungsbedarfe werden – so die Vermutung – unbürokratisch durch Weiterbildungsmaßnahmen gedeckt und vorhandenes Wissen kann durch „Sozialisierungsstrategien“ auf viele Mitarbeiter verteilt werden.
Handlungsbedarf im Demografie-Management
Auf Basis der Studienergebnisse leiten die Autoren folgenden Handlungsbedarf ab: Unternehmen müssen grundlegend – ob KMU oder Großunternehmen – besser informiert und betriebsindividuell beraten werden – auch mit externer Unterstützung. Darüber hinaus bedarf es spezifische Instrumente für KMU sowie handhabbare Vorgehensweisen zur Einführung eines Demografie-Managements. Vor allem benötigen Unternehmen belastbare Controlling-Tools zur Erfassung und Berechnung des ökonomischen Nutzens. Nur wenn dieser sichtbar wird, so Prof. Schirmer, werden Unternehmen in Sachen Demografie auch handeln. Eines sei aber schon heute klar: Wer sich nicht auf das Thema Demografie einlässt, wird in nicht allzu ferner Zukunft von der Realität eingeholt und zu Handlungen gezwungen werden.
Über die Studie
Die Befragung zur gemeinsamen Studie „Demografie Exzellenz – Herausforderungen im Personalmanagement 2015“ des Forums Baden-Württemberg im Bundesverband Deutscher Unternehmensberater (BDU), dem Demografie Netzwerk (ddn) sowie der Dualen Hochschule Baden-Württemberg Lörrach wurde als offene Online-Befragung im Zeitraum Februar/März 2015 durchgeführt. Insgesamt haben rund 1.500 Unternehmen aus dem gesamten Bundesgebiet teilgenommen. Teilnehmer der Befragung waren überwiegend mittelständische Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeitern (71,1 Prozent), 21,4 Prozent beschäftigten 51 bis 500 Mitarbeiter, 2,3 Prozent 501 bis 1.000 und 5,2 Prozent über 1.000 Mitarbeiter.
Die Studie kann auf den Seiten des BDU angefordert werden.