Dritte A.T. Kearney-Studie zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie
Wer profitiert von den familienpolitischen Maßnahmen – neben den Kindern – am meisten? Laut A.T. Kearney sind es vor allem die Männer. Über Gründe und Ursachen klärt die dritte A.T. Kearney-Studie zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie auf.
Neue Ansätze in Sachen Vereinbarkeit von Beruf und Familie braucht das Land, wenn es den demographischen Wandel erfolgreich bewältigen will. Das haben in der Zwischenzeit auch die meisten Unternehmen – auch mit unterschiedlich wahrgenommenem Druck von Seiten der Politik – verstanden. Doch wer profitiert am meisten von den Programmen? Laut A.T. Kearney sind es vor allem Männer! Väter bewerten demnach die Verbesserung ihrer beruflichen und familiären Situationen weitaus positiver als Mütter. Konkret:
- Nur drei Prozent der Mütter im Alter zwischen 25 und 39 Jahren und nur fünf Prozent aller Frauen bewerten die Programme im eigenen Unternehmen hinsichtlich der Familienförderung positiv. 17 Prozent der jungen Frauen und 11 Prozent insgesamt sprechen sogar von einer Verschlechterung.
- Anders bei den männlichen Kollegen: Hier sind 28 Prozent zufrieden und nur 11 Prozent unzufrieden.
Die unterschiedliche Bewertung schlägt auch auf die Gesamtzufriedenheit mit der Arbeitssituation durch. Bei Vätern ist diese mit 83 Prozent deutlich höher als bei Frauen mit 64 Prozent. Die Folge: Väter (75 Prozent) empfehlen ihren Arbeitgeber deshalb häufiger weiter als Mütter (58 Prozent).
Ursachen
Die Ursachen sieht Martin Sonnenschein, Zentraleuropachef von A.T. Kearney, in dem noch immer zu geringen Handlungsdruck in den Unternehmen. Vieles scheitere auch heute noch an der fehlenden Kultur oder an der mangelnden Kommunikation. Bei all den Fortschritten der vergangenen Jahre bewerten Frauen ihre Situation im Unternehmen daher weiterhin als unbefriedigend. Und das nicht grundlos: Frauen, so Sonnenschein, leisten nach wie vor die Hauptlast der Erziehungs- und Hausarbeit. „Der Lohn dafür sind zum Teil gravierende Nachteile und Einschnitte im Beruf“.
Auch die Ängste sind gleichgeblieben – sie nehmen sogar im Vergleich zur letzten Befragung aus dem Jahr 2013 weiter zu. Beschäftigte (25 Prozent der Männer und 33 Prozent der Frauen) befürchten, wenn sie familienfreundliche Ansprüche in Anspruch nehmen, Beachteilungen beim beruflichen Fortkommen, weniger attraktive Aufgaben in der Firma, Geringschätzung ihrer Vorgesetzten und Probleme im Kollegenkreis in Kauf nehmen zu müssen. Hinzu kommen auch reale finanzielle Einbußen. Hiervon ist fast jede zweite Frau betroffen (47 Prozent), aber nur jeder vierte Mann (27 Prozent).
Gründe für die unterschiedlichen Wahrnehmungen
Aus Sicht von Sonnenschein sind für die unterschiedliche Bewertung folgende Gründe zu nennen:
Das Thema Familienfreundlichkeit bewegt sich zum einem aus der Ecke Frauenförderung. Berufstätige Väter wurden von Politik und Wirtschaft als Zielgruppe entdeckt. Viele Unternehmen richten daher bestehende Maßnahmen explizit an ihre männliche Belegschaft aus. Aber: Nach wie vor sind es überwiegend Mütter, die Leistungen in Anspruch nehmen – und damit berufliche Einschnitte und Nachteile in Kauf nehmen, etwa längere Elternzeiten oder mehr Teilzeit.
So bieten Unternehmen ihren Mitarbeitern zwar hinsichtlich der Arbeitszeit hohe Flexibilität. Allerdings wird die Erwerbskarriere dabei außer Acht gelassen, mit der Konsequenz, dass Teilzeitangebote oder Auszeiten vor allem für Frauen mit erheblichen negativen Langzeitfolgen verbunden seien, so das Ergebnis der A.T. Kearney-Studie.
Der Lösungsvorschlag der Berater: Unternehmen müssen Programme auflegen, die Mütter nicht in eine Sackgasse, sondern auf den „fast track“ führen. Frauen, die nach dem ersten Kind Vollzeit arbeiten wollen, werden genauso kritisch gesehen wie Männer, die Teilzeit anmelden. Wir müssen raus aus diesen Geschlechtsstereotypen“, so Sonnenschein.
Auch die Präsenzkultur in den Unternehmen, die immer noch weit verbreitet ist, muss überdacht werden. Teil- oder Auszeit müssen als Karrierebausteine wertgeschätzt werden.
An die Politik gerichtet fordert Sonnenschein, dass die bisherigen zwei Vätermonate gesetzlich so verankert werden müssen, dass die Väter nur dann Elterngeld erhalten, wenn die Frau in der Zeit der Vätermonate auch tatsächlich arbeitet. Bisher nutzen viele Paare die Zeit häufig für einen gemeinsamen Urlaub – was auch ganz schön ist – aber an dem Ziel der Verbesserung der Chancengleichheit am Arbeitsplatz vorbei geht.
Über die Studie
Die A.T. Kearney-Studie basiert auf gut 1.000 Interviews mit Beschäftigten in unterschiedlichen Branchen, durchgeführt im Frühjahr 2015. Die Umfrage gilt als Gradmesser für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Sie misst Familienfreundlichkeit von Unternehmen nicht an deren Leistungen, sondern aus dem Blickmittel unmittelbar Betroffener. Begleitet wird die Untersuchung vom Wissenschaftszentrum für Sozialforschung in Berlin.