Hinweise für Berater auf Haftungsgefahren in der Krisenberatung
Immer wieder kommt es vor, dass eine vermeintliche Finanzierungsberatung in einer Sanierungsberatung endet. Der kluge Berater zeigt dem Unternehmer Wege der außergerichtlichen oder gerichtlichen Sanierung auf und begleitet ihn auf diesem Weg. Der unkluge bzw. unwissende Berater führt seine Finanzierungsberatung durch und begibt sich und den Unternehmer auf „dünnes Eis“. Wenn die Finanzierungsbemühungen scheitern, drohen haftungs- und strafrechtliche Folgen.
1 Ein Fall aus der Praxis
Ein Unternehmer möchte im Rahmen einer geförderten Beratung bei seinen geplanten Erweiterungsfinanzierungen unterstützt werden. Nach kurzer Zeit stellt sich heraus, dass die Kreditlinien des Unternehmens – bei massiven Verbindlichkeiten – nahezu ausgeschöpft sind. Es droht die Zahlungsunfähigkeit. Das gesamte Beratungsmandat „rutscht“ von einer vermeintlichen Neufinanzierung in den Sanierungsbereich.
Wäre der Unternehmer wenig später mit bereits eingetretener Zahlungsunfähigkeit zu mir gekommen, stünde er bereits kurz vor der Insolvenzantragspflicht (§ 17 Insolvenzordnung), die dann droht, wenn er nicht seine Zahlungsfähigkeit innerhalb von 3 Wochen wiederherstellt. Bei nicht rechtzeitig gestelltem Insolvenzantrag droht die Strafbarkeit/Haftung des Unternehmers wegen Insolvenzverschleppung. Ich als Berater kann mich sehr schnell wegen Beihilfe oder gar Anstiftung zur Insolvenzverschleppung strafbar und haftbar machen.
2 Quick-Check
Kaum eine Unternehmenskrise kommt plötzlich und unvorhersehbar. Fast immer gibt es rechtzeitig Vorboten, Hinweise, Ereignisse. Wer sie bemerkt, analysiert und richtig handelt, kann die Krise zumeist überwinden. Vielfach haben Unternehmer keine ausreichenden Controlling-Instrumente und Kenntnisse über das Insolvenzrecht oder sie sind zu nahe am Geschehen, um mit der nötigen Distanz folgerichtig und konsequent zu handeln. Denn handeln bedeutet vielfach, schmerzhafte Einschnitte vorzunehmen. Nicht richtig zu handeln heißt aber auch, bald zum Insolvenzgericht marschieren zu müssen.
Wenn Sie ein Beratungsmandat annehmen, unabhängig davon, ob Sanierung Ihr Fachgebiet ist oder nicht, sollte deshalb auch ein QuickCheck des Unternehmens auf Krisenanzeichen zu Ihren ersten Aufgaben gehören. Dafür ist es nicht notwendig, eine aufwendige Analyse des Krisenstadiums mit Ermittlung von endogenen und exogenen Faktoren vorzunehmen. Vielmehr geben augenfällige Veränderungen in der GuV und den (aktuellen) BWAs genügend Hinweise. Häufige Anzeichen einer negativen Unternehmensentwicklung sind Umsatzrückgänge (vergleichen Sie mehrere Jahre und Monate) ohne ausreichende Reduzierung des Personalaufwandes. Bei der Betrachtung des Personalaufwandes ist es wichtig, die Quote Personalaufwand zu Gesamtleistung zu betrachten und nicht nur die absolute Höhe des Personalaufwandes.
Bei der Ermittlung der Gesamtleistung werfen Sie einen Blick auf die Bestandsveränderungen bzw. teilfertigen Arbeiten. Vielfach wird hier „unsauber“ bewertet und statt der Kosten (zzgl. eines angemessenen Zuschlages) zu Faktura/Umsätzen bewertet. Durch diesen „Trick“ steigt die Gesamtleistung und liefert ein teilweise völlig falsches Bild des Unternehmens. Statt einer falschen Bewertung werden Sie so manches Mal auch gar keine monatliche Bewertung der Bestandsveränderungen vorfinden. Die Notwendigkeit der monatlichen Bewertung zur Ermittlung einer aussagekräftigen Gesamtleistung wird vielfach verkannt und die Bewertung erst bei der Erstellung des Jahresabschlusses nachgeholt. Eine schlechte und unzureichende Lösung.
Vergessen Sie bei Ihrem Quick-Check nicht, auch die Vergütung der Geschäftsleitung genau unter die Lupe zu nehmen. Steigender Materialaufwand (auch hier Quote beachten) oder hohe Einzelpositionen in den sonstigen betrieblichen Aufwendungen (schauen Sie dazu in den Kontennachweis der GuV) sollten Ihre Aufmerksamkeit erregen und zu einer Nachfrage beim Unternehmer führen. Ein kurzer Blick in die Bilanz verrät Ihnen, ob auf der Aktivseite ein „nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag“ (und damit die bilanzielle Überschuldung) ausgewiesen werden musste. Bei vielfach schwacher Eigenkapitalausstattung der Unternehmen ist diese Position keine Ausnahme, das notwendige Aufstellen eines Überschuldungsstatus zu Realwerten mit Fortbestehensprognose zur Vermeidung einer Insolvenzantragspflicht wegen Überschuldung dagegen schon.
Wichtig ist für Sie als Berater zu wissen, dass die bilanzielle Überschuldung noch keine Insolvenzantragspflicht für den Unternehmer bewirkt. Allerdings ist durch den nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag der Anlass für die Erstellung eines Überschuldungsstatus gegeben. Der Überschuldungsstatus gibt Ihnen Auskunft über die tatsächliche Vermögenslage des Unternehmens. Ein Grundstücksgutachten führt meistens schnell zu deutlich höheren Aktiva und die Bereinigung der Passiva um nachrangige Gesellschafterdarlehen vermindern die Verbindlichkeiten meistens so stark, dass keine Überschuldung mehr gegeben ist. Sofern Sie eine tatsächliche Überschuldung feststellen (oder durch einen kompetenten Kollegen feststellen lassen), ist dies kein Grund zur Panik. Eine positive Fortbestehensprognose verhindert eine Insolvenzantragspflicht des Unternehmers. Unterlässt der Unternehmer die Erstellung des „aus gegebenem Anlass“ notwendigen Überschuldungsstatuts – ggfls. plus Fortbestehensprognose –kann es sich, genauso wie bei der Nichtantragstellung eines Insolvenzantrages bei Zahlungsunfähigkeit, um einen Fall der straf- und haftungsrechtlichen Insolvenzverschleppung handeln.
3 Fazit
Bei einer Unternehmensberatung sollten im Rahmen eines Quick-Checks auch die Themen Zahlungsstockung, Zahlungsunfähigkeit, Überschuldungsprüfung (mit oder ohne Fortbestehens-/Sanierungsgutachten) abgeklopft werden. Wenn Anzeichen für notwendige Vertiefungen bestehen, sollten Sie sich dieser speziellen und kritischen Fragen nur annehmen, wenn Sie in diesen Feldern sicher sind und über ausreichende Erfahrungen verfügen. Die Gefahr, das Beraterhonorar (z. B. bei Anfechtung durch den Insolvenzverwalter) zu verlieren ist hierbei noch das kleinere Risiko. Für den beratenen Unternehmer und auch Sie als Berater können bei einer verschleppten Unternehmensinsolvenz straf- und haftungsrechte Folgen auf beide Parteien zukommen.
Zur Vertiefung des Themas „Haftungsrelevante Kunstfehler in der Krisenberatung“1 empfehle ich den in der NWB erschienenen Aufsatz von Ehlers, der detailliert auf notwendige Voraussetzungen für eine korrekte Krisenberatung hinweist.