Roland Berger: „Restrukturierungsstudie 2015“
Restrukturierung ist und bleibt ein komplexes Geschäft, wie wieder der Blick auf die aktuelle Restrukturierungsstudie von Roland Berger zeigt. Als ein Hauptrisiko für deutsche Unternehmen entwickelt sich immer mehr die Digitalisierung, die mittlerweile die gesamte Wertschöpfungskette erfasst.
Die schwache Konjunktur in China, die niedrigen Rohstoffpreise und die ebenfalls weiterhin niedrigen Zinsen sind – folgt man der aktuellen Roland-Berger-Restrukturierungsstudie 2015 – die größten internationalen Risikoquellen für deutsche Unternehmen. Als national größtes Risiko wird das Thema Fachkräftemangel gesehen. 14 Prozent der Befragten gab an, Sorge zu haben, keine geeigneten Mitarbeiter zu finden.
Daneben setzen die Digitalisierung und disrupte Innovationen deutsche Unternehmen immer mehr zu. Roland Berger erwartet daher eine Zunahme von Restrukturierungsfällen in Deutschland in den kommenden zwölf Monaten. Das ist das zentrale Ergebnis der aktuellen Bestandsaufnahme unter 1.100 Branchenexperten.
Deutsche Unternehmen stehen aktuell vor einem wichtigen Wandel
Insgesamt sehen 34 Prozent der Befragten die Digitalisierung als wesentlichen Grund für den Industriewandel in Deutschland: „Unternehmen aus dem Produktionssektor, wie etwa dem Automotive-Bereich, aber auch aus der Medienbranche stehen vor der Herausforderung, ihr Geschäftsmodell schnell anpassen zu müssen. Denn nur so können sie ihren Marktanteil verteidigen bzw. verbessern“, so Gerd Sievers, Senior-Partner von Roland Berger und Autor der Studie.
Die Digitalisierung verstärkt zudem insgesamt den Wettbewerbsdruck. Ein Viertel der befragten Unternehmen empfindet den Konsolidierungsdruck als entscheidenden Treiber für den Wandel in den jeweiligen Branchen.
Den größten Anpassungsbedarf sehen die Experten von Roland Berger – basierend auf der Umfrage – in der Automobil- (20 Prozent), der Energie- (20 Prozent) und in der Finanzdienstleistungsbranche (19 Prozent). Während der Automobilsektor vor allem mit dem zunehmenden Wettbewerb und der Digitalisierung zu kämpfen hat, stellt der Abbau konventioneller Energieerzeugungskapazitäten die Energiebranche zunehmend vor große Herausforderungen. Die Finanzbranche wiederum kämpft weiterhin mit den Folgen der europäischen Finanzkrise. Aber auch die Digitalisierung – und damit einhergehend der Verlust klassischer Geschäftsmodelle – und neue regulatorische Vorschriften wie Basel III bereiten der Finanzbranche zunehmend Sorge.
Aber auch die Konsumgüterindustrie sieht sich neuen Risiken bzw. Herausforderungen, wie weiter steigende Kundenanforderungen bei anhaltenden Preisdruck und dem weiter zunehmenden Wettbewerb gegenüber. Ebenso die Logistikbranche: Auch hier macht sic h die Digitalisierung bemerkbar, neben der Herausforderung, dass die Logistik immer mehr in die Produktentwicklung mit einbezogen wird.
Restrukturierungen werden immer umfangreicher und komplexer
Grundlegend konstatieren die Berger-Berater weiter, dass Restrukturierungen immer umfangreicher und komplexer werden. Um auf die veränderten Marktbedingungen zu reagieren, passen Unternehmen ihre Geschäftsmodelle an (16 Prozent), optimieren Organisations- und Ablaufprozesse (12 Prozent) oder führen Kostensenkungs- und Effizienzsteigerungsprogramme durch.
Hinzu kommen neue Gesetze und Regularien, die die Anforderungen ebenfalls weiter erhöhen. Nach Auffassung von Sascha Haghani, stellvertretender Deutschlandchef von Roland Berger und Leiter des Competence Center Restructuring & Corporate Finance, ist gerade das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) ein gutes Beispiel hierfür: Auf der einen Seite erhöhen die neuen Regeln die „Handlungsflexibilität bei Insolvenzen“, gleichzeitig erhöht sich aber auch die rechtliche Komplexität, wenn es zu einer gerichtlichen Sanierung kommt.
Stakeholder-Management wird immer wichtiger
Auch das Thema Finanzierung trägt dazu bei, dass die Komplexität bei der Restrukturierung von Unternehmen hoch ist. Der Grund liegt vor allem in der Zunahme der Finanzierungsinstrumente und -parteien. In den Augen von Gerd Sievers ist dabei besonders ein „Stakeholder-Management“ entscheidend, da in den meisten Fällen die teilweise divergierenden Interessen der Geldgeber „unter einen Hut gebracht werden“ müssen. Zudem sind die Firmen zu umfangreicheren Berichtspflichten gegenüber ihren Finanziers verpflichtet. Die hieraus gewonnene Transparenz soll – so die Hoffnung – die Unternehmen dabei unterstützen, potenzielle Risiken früh zu erkennen und Bedenken innerhalb der Firma gegenüber einer Restrukturierung einfacher aus dem Weg zu räumen.
„Um all diese Herausforderungen meistern zu können, brauchen Restrukturierungsverantwortliche“, so Haghani zusammenfassend, „ein tiefes Branchenverständnis und Weitblick für die notwendigen Anpassungen des Geschäftsmodells. Nur so ist neben der operativen Restrukturierung mit einem individuellen Finanzierungskonzept auch eine nachhaltige strategische Neuausrichtung erfolgreich umsetzbar.“
Hintergrund zur Studie
Die Restrukturierungsstudie wird seit 2001 in Deutschland, Österreich und der Schweiz mit unterschiedlichen inhaltlichen Schwerpunkten von Roland Berger durchgeführt. In diesem Jahr wurden 1.100 Restrukturierungsexperten befragt, die in verschiedenen Tätigkeiten oftmals deutlich mehr als sechs Restrukturierungsfälle pro Jahr betreuen. In der aktuellen Umfrage wurde vor allem nach dem Anpassungsbedarf für Strategie und Geschäftsmodell in wesentlichen Branchen sowie die Reaktion der Unternehmen auf die aktuellen nationalen und internationalen Herausforderungen und Trends (z. B. ESUG) gefragt. Weitere Informationen zur Studie finden Sie auf den Seiten von Roland Berger: http://www.rolandberger.de/pressemitteilungen/restrukturierungsstudie_2015_truegerische_ruhe.html