Experten machen keine Fehler! Über den Umgang von Beratern mit Fehlern (Teil 2)
Im Briefing wurde ich gebeten, mit einem Beitrag die folgende Frage zu beantworten: „Wie gehen Unternehmensberater mit Fehlern um?“ Von Ungeduld und Lust am Provozieren getrieben war mein erste Gedanke: „Gar nicht!“ Aber damit wäre dieser Artikel nicht nur sehr kurz ausgefallen, sondern hätte auch diesem wichtigen Thema nicht gedient.
In dieser Ausgabe werde ich versuchen, ein „Persönlichkeitsprofil“ eines typischen Beraters zu skizzieren – insbesondere natürlich hinsichtlich der Frage nach dem Umgang mit Fehlern. Und ja: Die Frage nach dem „was tun“ wird auch noch beantwortet. In der nächsten Ausgabe.
1 Rückblick: Berater machen „Fehler“
„Wie gehen Unternehmensberater mit Fehlern um?“ Der erste Teil dieses Beitrags baute ja auf der Behauptung auf, dass Berater, genau wie alle anderen Menschen, natürlich Fehler machen. Unabhängig von der individuellen Fähigkeit des Schönredens und Vertuschens. Näher betrachtet hatten wir die folgenden zwei Fragen:
- Why change? Es gibt keine Alternative zu einem angemessenen Umgang mit Fehlern, wenn einem eine langfristig tragfähige Beziehung zum Klienten und die Wirksamkeit eines Projektes am Herzen liegen.Lügen haben kurze Beine. Fehler nicht anzusprechen, fällt früher oder später auf und führt dann über den Weg des Vertrauensverlustes zu einer Einschränkung der Effizienz und Wirksamkeit des Projektes.
- Der Idealzustand? „Fehler sind Lernchancen“ ist nicht nur ein Spruch, sondern notwendige Grundlage der beraterischen Haltung.Die Selbstverständlichkeit von Fehlern anzuerkennen und „erwachsen“ damit umzugehen, fördert die gegenseitige Wertschätzung in der Beziehung. Diese ermöglicht eine schnelle Behebung der Fehler und vor allem das Lernen, um zukünftige Fehler zu vermeiden.
2 Umgang mit Fehlern bei Beratern
Um herauszufinden, welche Interventionen in Bezug auf den Umgang mit Fehlern in typischen Beratungskontexten realistisch denkbar sind, brauchen wir einen kurzen Blick auf die möglichen Ursachen des aktuellen Verhaltens.
Hier werden natürlich keine Wahrheiten proklamiert, sondern eher wild spekuliert. Auf der persönlichen Ebene sind die Ursachen des Verhaltens viel zu individuell, um darüber pauschal zu urteilen. Aber vielleicht können Sie den einen oder andern Punkt ja auf sich beziehen oder eine „eigene Wahrheit“ daraus ableiten.
Die meisten Berater gehören zur Spezies der „Insecure Overachiever“.
- Der „Overachiever“ ist es gewohnt, überdurchschnittlich zu sein, in welcher Dimension er das auch immer misst. Leistung, Ehrgeiz, Kreativität, Auffassungsgabe, bestimmte Fähigkeiten, Schnelligkeit usw. Genau aus diesem Grund sucht er sich ein forderndes Arbeitsumfeld, in dem es immer Gelegenheiten gibt, diese Überdurchschnittlichkeit unter Beweis zu stellen.
- „Insecure“ steht für seine Abhängigkeit davon, dass ihm seine Überdurchschnittlichkeit immer wieder bestätigt wird. Er ist also nicht per se ein unsicherer Typ, geschweige denn fehlt es ihm grundsätzlich an Selbstwertgefühl. Aber sein Selbstwertgefühl hängt in hohem Maße davon ab, dass er für seine Leistung ein positives Feedback erhält. Und zwar mehr, als bei den meisten anderen Menschen, die ihr Selbstwertgefühl auch aus anderen Quellen als „Leistung & Anerkennung“ – und auch bei anderen Gelegenheiten außerhalb des Jobs – speisen können. Wenn Sie einem Berater die Anerkennung vorenthalten, wird er sich einfach – entlang seines wichtigsten Antreibers – noch mehr anstrengen. Das klingt zwar zunächst sehr positiv, und wird ja leider auch von vielen Klienten genauso ausgenutzt, allerdings führt diese Überanstrengung in der Regel zu einer Verkrampfung und Überarbeitung – und damit zu mehr Fehlern.
Nebenbemerkung: Es wäre also viel klüger, wenn die Führungskräfte in den Beratungen und die Klienten ihre Berater viel mehr loben würden, anstatt sie immer auf ihr „Entwicklungspotenzial“ hinzuweisen. Da die intrinsische Motivation der Berater sehr hoch ist, sind sie dann zur maximalen Leistung bereit, ohne zu verkrampfen.
Aber zurück zu den Verhaltensmustern der Berater. Der „Insecure Overachiever“ ist besonders anfällig für die folgenden drei Ursachen von Fehlern:
- Berater wollen es unbedingt gut machen
- Berater reagieren schlecht auf zu viel Druck
- Berater haben Angst vor Kontrollverlust
2.1 Berater wollen es unbedingt gut machen
Diese Haltung ist natürlich einerseits der Schlüssel zum Erfolg eines Beraters. Der Ehrgeiz, die jeweilige Aufgabe quasi bedingungslos zum Erfolg zu bringen, verführt viele Berater zur Übernahme von Verantwortung, die eigentlich außerhalb ihrer Rolle und ihres Auftrags liegt. Um nur ein Beispiel zu nennen: Viele Projekte leiden unter einem klaren Mangel an interner Kommunikation in der Organisation des Klienten. Die Berater erkennen dies und springen bereitwillig ein – das Projekt muss ja im Rahmen des Zeitplans zum Erfolg geführt werden. Nur ist die interne Kommunikation, etwa die Vermittlung der Bedeutung einer Veränderung, in der Regel eine Führungsaufgabe und keine beraterische Tätigkeit.
Das Dilemma: Eigentlich müssten die Berater die Führungskraft von der Notwendigkeit der Kommunikation überzeugen, damit diese die Aufgabe im Projekt übernimmt. Nur kostet das einerseits Zeit und andererseits ist damit immer noch nicht sichergestellt, dass die Führungskraft die Aufgabe auch im Sinne des Projektes „gut“ erledigt. Und die Berater fühlen sich ja für die Einhaltung des Zeitplans und die Wirksamkeit des Projektes verantwortlich. Also machen sie es lieber selbst – es entspricht ja noch dazu dem Dienstleistungsgedanken. Die Gefahr ist, dass es die Berater dem Klienten zu einfach machen, sich aus der Verantwortung zu stehlen. Und was passiert in diesen Fällen am Tag, nach dem die Berater das Projekt in die Linienverantwortung übergeben haben und weitergezogen sind? Meistens nicht mehr viel. Daher ist eine unklare Abstimmung von Verantwortlichkeiten ein klarer Fehler. Ein Fehler, den auch die gute Absicht des Beraters nicht immer wettmachen kann.
2.2 Berater reagieren schlecht auf zu viel Druck
Der Druck auf Berater ist natürlich hoch. Der oben beschriebene intrinsische Druck durch den persönlichen Ehrgeiz, aber auch der externe Druck, der sich aus der hohen Wettbewerbsdichte und den anspruchsvollen Tagessätzen ergibt. Klienten werden auch immer fordernder, insbesondere was die Expertise und Qualifikation des einzelnen Beraters angeht. Nicht jeder Berater bleibt da gelassen und sagt sich: „Natürlich kann ich das Projekt besser machen als meine Wettbewerber und selbstverständlich ist mein Rat auch mehrere tausend Euro am Tag wert. Und zwar jeden Tag!“ Die meisten Berater reagieren auf diesen Druck, indem sie zu viel versprechen und sich nicht abgrenzen, also nicht „Nein“ sagen, wenn der Klient mal eben so den Scope erweitert. Und dann laufen sie – oft hektisch – den eigenen Versprechungen und den Erwartungen des Klienten hinterher. Dabei passieren eher Fehler, als wenn sie gelassen vorne auf der Welle reiten würden.
Eine weitere Reaktion auf Druck ist die Abwehr von Kritik. Wenn ich mich im Vorfeld des Projektes als Teil des „erfahrensten Teams in der Industrie“ (ein Zitat aus allen Proposals, die ich bisher in der Hand gehalten habe …) positioniert habe, muss ich diesen Status jetzt natürlich auch unter Beweis stellen. Wissenslücken einzugestehen oder Fehler zuzugeben wird dann immer schwieriger. Sollte der Klient doch etwas merken und mich zur Rede stellen, ist die intuitive Reaktion zunächst Abwehr und Rechtfertigung. Das verhindert die Behebung von Fehlern und gefährdet vor allem die Vertrauensbasis.
2.3 Berater haben Angst vor Kontrollverlust
Wieder aus dem inneren Antrieb heraus, mit einer guten Leistung zu Anerkennung zu kommen, und der Angst davor, dass dies nicht gelingt, beschäftigen sich Berater am liebsten nur mit Dingen, die sie beeinflussen können. Grundsätzlich eine sehr positive Haltung. Nur führt sie in der Übertreibung wieder leicht zu Fehlverhalten. Das einfachste Beispiel ist, dass sich Inhalte besser kontrollieren lassen als Emotionen und Beziehungen. Letztere werden ja schließlich auch von dem jeweils anderen Subjekt mit seiner ganzen Subjektivität beeinflusst. Aber – wie bereits mehrfach erwähnt – ohne Beziehungsarbeit geht es nun einmal in der Beratung nicht.
Ein anderes, konkretes Beispiel für Fehlverhalten ist, dass die meisten Präsentationen von Beratern immer noch vollgestopft sind mit viel zu vielen Slides und inhaltlichen Details. Zugute halten kann man ihnen, dass sie die wertvolle Zeit des Klienten möglichst sinnvoll nutzen und auf jede Situation gut vorbereitet sein möchten. Das ist auch die bewusste Rechtfertigung für dieses Verhalten. Der Präsentationsstil folgt dann dem Glaubenssatz „eine ideale Präsentation ist die, bei der ich alle meine Slides vorstellen kann, ohne dass kritische Fragen gestellt werden“. Folgerichtig werden keine offenen Fragen in Richtung der Adressaten gestellt – es könnte ja eine Antwort kommen, die ich nicht kontrollieren kann – und Kommentare werden eher abgewiegelt oder mit Back-ups erstickt. Nur dummerweise werden mir als Berater dann u. U. notwendige Informationen und Meinungen vorenthalten. Besser wäre ein Präsentationsstil, der auf den folgenden zwei Glaubenssätzen aufbaut: „Eine ideale Präsentation ist die, bei der ich meine Intention möglichst schnell erreiche – im besten Fall reicht dafür meine Executive Summary“ und „Menschen reagieren auf Veränderung grundsätzlich mit Widerstand – je eher ich diesen triggere und transparent mache, desto mehr Zeit bleibt mir, mich mit ihm zu befassen“.
3 Fazit
Das typische Persönlichkeits- und Verhaltensmuster von Beratern ist grundsätzlich ihr Schlüssel zum Erfolg. Andererseits führen die Übertreibungen zu Fehlverhalten und verhindern den Aufbau tragfähiger Beziehungen zum Klienten.
Nachsatz: Die letzten Bemerkungen bezogen sich auf das Verhalten der Berater. Aber der Klient ist auch nicht unschuldig an den Übertreibungen der Verhaltensmuster. Klienten delegieren viel zu gerne ihre Verantwortung an die Berater – insbesondere bei unangenehmen oder schwierigen Aufgaben. Sie drücken sich vor wichtigen Entscheidungen. Sie lassen ihren Frust auch gerne an den Beratern aus und setzen sie damit unter Druck. Andererseits forcieren sie auch viel zu selten eine offene und ehrliche Reflektion über das aktuelle Projekt. Vielleicht aus Angst, dass ihr eigenes Fehlverhalten dann auch zur Sprache kommen würden?
Soviel also zu der Frage nach den möglichen Ursachen derjenigen Verhaltensweisen, mit denen Fehler eher vertuscht denn als Lernchance verstanden werden. In der nächsten Ausgabe, im letzten Teil dieses Beitrags, werden wir dann endlich die Frage nach dem „was tun“ beantworten. Wie kann man sich einem besseren Umgang mit Fehlern risikofrei nähern?
Stay tuned!