Consulting für Start-ups: Wenn zwei Welten zusammen (weiter) kommen
Start-ups sind hip und sexy und das nicht erst seitdem Berlin zu ihrer Metropole wurde. Flache Hierarchien, Gründergeist, ein zu mehr als 100 Prozent begeistertes Team, der Spirit, am ganz großen nächsten Ding mitzuarbeiten und die direkte Umsetzung der erarbeiteten Strategien – für Berater, die bisweilen von den Widrigkeiten in der Corporate-Welt gebremst werden: traumhafte Aussichten. Andererseits bieten die Budgets vieler Start-ups wenig Spielraum für externe Berater.
Trotzdem brauchen gerade junge Unternehmen Beratung, die sie nicht nur von ihren Business Angels und VC-Gesellschaften bekommen. Daher soll hier ein Blick geworfen werden auf diesen Bedarf – soweit er sich pauschalierend erkennen lässt – und die speziellen Anforderungen und Herausforderungen, die die Beratung junger Unternehmen in ihren ersten Entwicklungsphasen mit sich bringt.
1 Was sind Start-ups?
Bevor wir uns der Beratung von Start-ups an sich zuwenden, erweist sich ein (sehr kurzer) definitorischer Einwand als nützlich. Als Start-ups sollen hierbei, der allgemeinen Definition folgend, junge, noch nicht etablierte Unternehmen gelten, die sich in der Seed- oder Wachstumsphase befinden und die mit geringem Startkapital beginnen. Das ist insofern eine notwenige Rekapitulation, als dass sich in den letzten zwei Jahren besonders mit Blick auf die Frage nach dem Consulting für Start-ups die großen Beratungsunternehmen durch eigene (Technologie-)Einheiten profiliert haben, um im Auftrag von Corporate-Kunden in ausgegliederten Einheiten Transformationsprozesse und disruptive Technologien voranzutreiben. In Interviews kann man lesen, dass man dort insbesondere die lockere (Start-up-)Atmosphäre und die einfachen Strukturen zu schätzen weiß. Diese drücken sich offenbar unter anderem durch das lange ersehnte Tragen von Jeans und Sakko am Arbeitsplatz aus und dadurch, dass man losgelöst von der Organisation des Kunden und der eigenen Muttergesellschaft in Loftbüros residiert. Es steht außer Frage, dass dieser Ansatz überlegene Lösungen für die Kunden erzielen kann. Angesichts der Tatsache, dass die dort von etablierten Unternehmen beauftragten Spezialisten Tagessätze abrechnen, die das Monatsgehalt der meisten Gründer übersteigt, würde man eher von einer „semantischen Adaption“ sprechen. Ergo: der Übernahme der Start-Up-Semantik (und ihres Habitus‘) auf eine strukturell davon unabhängige operierende Struktur im Auftrag korporativer Kunden. Hierum soll es in diesem Artikel nicht gehen.
2 Beratungstypen und -bedarf
Neben der klassischen Gründungsberatung zu Rechtsform, Finanzplanung, Steuern und erster Geschäftsmodellentwicklung – die im besten Fall so überzeugt, dass es zu einer Folgebeauftragung außerhalb der oft staatlich geförderten Erstberatung kommt, ist es zumeist sehr spezifische fachliche oder branchenbezogene Expertise, die Start-ups punktuell zu Rate ziehen. Nicht selten werden die Berater dabei als interimistische CXOs eingesetzt, die zum Aufbau des Unternehmens fest in das Team als Mitglieder integriert sind. Allgemeinstrategische Fragestellungen hingegen sind häufig bereits in der Geschäftsidee selbst angelegt und selten nachgefragter Bedarf nach der Gründungsphase. Die durch externe Beratung angestrebte konzeptionelle Begleitung und abstrakte Perspektive über die eigene Sicht und das Tagesgeschäft hinaus steht vielen Start-ups zudem in Form ihrer Kapitalgeber und ihres persönlichen Umfelds zur Verfügung. IT-Expertise zur Umsetzung des Geschäftsmodells muss hingegen ein so hoher Stellenwert eingeräumt werden, dass dies zu Recht durch Integration in das Gründungsteam und nicht durch Hinzuziehung externer Berater erfolgt.
Neben der Branchenexpertise zeigt sich, dass grundsätzlich insbesondere Finanzen, Kommunikation und Controlling nachgefragte Fachbereiche sind. Vor allem Start-ups, deren Gründer keinen wirtschaftswissenschaftlichen Hintergrund haben und sich auf die Entwicklung ihres Geschäftsmodells und Leistungsangebots konzentrieren wollen, greifen hier gern auf punktuelle oder interimistische Unterstützung zurück. Im Bereich der Kommunikation stellen PR und politische Kommunikation erfolgsversprechende Beratungsfelder dar, da in beiden Fällen ein fundiertes Netzwerk unerlässlich ist und die Erfahrung zeigt, dass die meisten Gründer die Attraktivität ihrer Geschäftsidee für die Zielgruppen Journalisten und den politischen Raum gnadenlos überschätzen. Dabei kann insbesondere letzterer schneller für das Aus einer neuen Technologie oder eines neuen Geschäftsmodells verantwortlich sein, als sich dieses ansatzweise etablieren kann. Für den Bereich Controlling zeigt sich, dass junge Unternehmen, die von Beginn an durch gute Beratung und vorausgeplante Entscheidungsalternativen u. a. bei der Kostenstellen- und Reportingplanung für das Wachstum wesentlich besser gerüstet sind, da sie auf wechselnde Anforderungen (beispielsweise durch neue Entscheider aus folgenden Finanzierungsrunden) schneller reagieren können. Ineffiziente Strukturen durch organisches Wachstum entstehen in Unternehmen bekanntlich früh genug, punktuelle Expertise zu einem frühen Zeitpunkt ist hier gefragt. Dasselbe gilt letztlich für eine dynamische Prozessentwicklung, bei der Wachstumsphasen früh operational vorgeplant werden, damit die bei vielen Start-ups im Mittelpunkt stehende Skalierbarkeit der Geschäftsidee nicht durch mangelhaft vorbereitete Prozesse während des Wachstums gebremst werden. Eine externe beratende Perspektive ergänzt das oft auf die aktuelle Umsetzung fokussierte Gründerteam hier mit dem Zwang zum operativen Weitblick (an strategischer Vision mangelt es hingegen den wenigsten Gründern).
Besonders kritische Momente für junge Unternehmen, an denen regelmäßig die Hinzuziehung eines externen Beraters angezeigt ist, sind Wachstumsschübe in der Organisation. Zu oft passiert es leider noch, dass bestens eingespielte Teams in Organisationsgrößen von 10-15 Mitgliedern mit klaren Verantwortlichkeiten und funktionierender interner Kommunikation durch das Anwachsen auf über 20 oder mehr schlagartig an Komplexität gewinnen, auf die das auf die Weiterentwicklung der Kernkompetenzen und den Vertrieb konzentrierte Führungsteam nicht vorbereitet ist und für deren Bewältigung keine internen Ressourcen zur Verfügung stehen. Hier ist die Schaffung neuer Verantwortlichkeiten, formalisierter Entscheidungswege und Buchhaltungsprozesse unerlässlich.
3 An- und Herausforderungen in der Start-up-Beratung
Für gestandene Berater (und ich habe wenige Consultants gesehen, die sich nicht dazu zählen) stellt natürlich kein Kunde und kein Umfeld eine unlösbare Herausforderung dar. Klar. Dennoch lohnt sich ein Blick auf einige Spezifika der Start-Up-Beratung. Sonst hätten Sie ja auch nicht bis hier gelesen. Zum Einen soll es hier um die Zusammenarbeit mit den Gründern gehen (hier sei ein kleiner Blick auf die Frage der Veränderung durch Gründer aus der vielbeschriebenen Generation Y erlaubt), um die Arbeitskultur und die strukturellen Herausforderungen der Zusammenarbeit.
Als Berater lernt man auf Klientenseite in der Regel eine ganze Bandbreite von Charakteren kennen und die meisten empfinden es nicht als Nachteil, mit ausschließlich hochmotivierten Gründern zusammen zu arbeiten, die meist nicht begeistert oder mitgenommen werden müssen, sondern „lediglich“ inhaltlich überzeugt werden wollen. Die meisten Gründer (sonst hätten sie sich schwerlich dafür entschieden) brennen für ihre Idee und wollen ihr Geschäftsmodell optimieren und realisieren. Aus Erfahrung weiß ich, dass viele Gründer – insbesondere wenn sie zuvor selbst in der Consultingbranche waren – eine grundsätzlich kritische Haltung gegenüber externer Beratung haben. Andererseits zwingt sie die Größe des Teams und die Konzentration auf die Kernbereiche des Unternehmens aber zur zeitweisen Verlagerung von Verantwortung auf ihre Schultern. Also nutzen Sie diesen Vorschuss und bringen Sie das ein, was den Gründern im Eifer des Gefechts temporär aus den Augen rutscht: freies, kreatives Denken und ruhige Überlegungen auf Seitenaspekte. Dabei sollten Sie die Verdeutlichung des eigenen Wertbeitrags nicht unterschätzen, denn besonders Gründer, die für ihre eigene Idee darben, gehören (zu Recht) zu den kritischsten Kunden. Eine weitere Herausforderung ergibt sich aufgrund des oft geringen Formalisierungsgrads in Start-ups, in denen die Gründer als Geschäftsführer agieren und Entscheidungen treffen, ohne dabei zwangsläufig die Positionen der Kapitalgeber zu ihren eigenen zu machen. Der Kunde mag also formell der Entscheider sein, als Dienstleister ist man jedoch gut beraten, die fehlenden formellen Prozesse aufzufangen und mit den Gründern regelmäßig gemeinsam die Übereinstimmung der Marschrichtung mit den Interessen der Kapitalgeber zu überprüfen. Besonders bei eingespielten Teams aus Gründern und Beratern ist bei wachsender Kapitalbeteiligung ein regelmäßiges Hinterfragen der Abstimmungsprozesse gefragt.
Das Phänomen der (vermeintlich homogenen) Generation Y und ihrer Ansprüche an sich selbst und ihre Arbeit hat in den vergangenen Jahren viele Organisationen und Autoren beschäftigt. Angesichts des durchschnittlichen Gründeralters verwundert es daher nicht, dass die meisten der Erstgründer und auch viele Wiederholungstäter mittlerweile aus dieser Generation entstammen, die man durchweg als Digital Natives bezeichnet. Zudem schreibt man ihnen zu, dass sie dem Sinn in ihrer Arbeit einen höheren Stellenwert beimessen, an Unsicherheit gewöhnt sind und vermehrt den gewünschten sozialen Aspekt ihrer Tätigkeit durch geringere Renditeerwartung kompensieren. Bis auf den letzten Aspekt also durch die Bank weg Eigenschaften, die bei Gründern zu keiner Zeit hinderlich, sondern eher ausgeprägt und die Regel waren. Gründer unterscheiden sich daher womöglich generationsübergreifendweniger als Arbeitnehmer in anderen Organisationen. Lediglich die Frage der geringeren Renditeerwartung zugunsten positiver sozialer Aspekte der eigenen Unternehmung dürfte nicht bei allen Investoren per se auf offene Ohren stoßen. Hier wird sich zeigen, auf wessen Seite der Anpassungsdruck stärker sein wird.
Auch wer als Berater bei größeren und etablierteren Organisationen Erfahrung mit strategischen Projekten hat, wird die Arbeitsweise als Berater für Start-ups zu schätzen wissen. Statt der Erarbeitung von Strategien und Lastenheften für Folgeprojekte, die sich der weiteren Ausgestaltung der Anforderungen für eine spätere Umsetzung widmen, ist die Beratung junger Unternehmen naturgemäß wesentlich umsetzungsbezogener, der Strategie folgt regelmäßig die sofortige Umsetzung. Andererseits ist die Unsicherheit, innerhalb der Projekte umgesetzt werden, ungleich höher. Häufig gibt es den Markt noch gar nicht, der gemeinsam bearbeitet wird, und dies führt dazu, dass die gemeinsame Erfahrungskurve von Kunde und Berater trotz dessen Expertise weitaus bedeutsamer ist, als sein Vorwissen. Dies und die gesündere Fehlerkultur als bei großen Organisationen führen allerdings regelmäßig dazu, dass die Berater gemeinsam und auf Augenhöhe lernen und Fehler begehen. Diese engere und kollegialere Zusammenarbeit wiederum führt zu einem Distanzverlust, durch den es nicht immer leicht fällt, die Rollen des Beraters und des Beratenden aufrecht zu erhalten. Allerdings sollte weder der Kunde noch der Berater diesen Distanz- und Rollenverlust als negative Entwicklung begreifen, stellt es doch ein Asset dar, das den Berater in seiner Funktion als Sparringspartner und Coach stärkt.
Natürlich wirken sich die generelle Unsicherheit, innerhalb der Start-ups agieren, und die finanziellen Rahmenbedingungen auch auf die Anforderungen aus, die an Berater gestellt werden. Neben moderaten Tagessätzen ist dies vor allem die Flexibilität mit Blick auf Zahlungsziele, der Verzicht auf fixe Mindestmandatierung. Ein häufig genutzter Weg ist zudem die gemeinsame Entwicklung kreativer (Erfolgs-)Beteiligungsmodelle und Lizenzierungen, die die Höhe der Tagessätze ausgleichen. Letzteres ist jedoch ein zweischneidiges Schwert, da eine durch zu niedrige Tagessätze und Beteiligung ermöglichte gemeinsame Erfolgsphase am Anfang durch die frühe Vergabe von Anteilen potenzielle Kapitalgeber einer nächsten Finanzierungsrunde abschreckt.
Damit wäre dann keiner gut beraten!
4 Fazit
Start-ups haben besonders für externe Berater in der Regel kein üppiges Budget und bieten aufgrund ihres unsicheren Umfelds keine langfristigen Mandatierungen. Dennoch haben sie klaren Consultingbedarf, der nicht von Business Angels und Kapitalgebern abgedeckt werden kann. Durch flexible Vergütungsmodelle aus moderater Pauschale und erfolgsabhängiger Variable profitieren beide Seiten von einer Zusammenarbeit, die aufgrund ihrer starken Umsetzungsausrichtung und unkomplizierten Abstimmung ohne mikropolitische Störfaktoren abwechslungsreich und erfüllend ist.