Liebe Leserinnen und Leser,

das Jahr 2020 geht seinem Ende entgegen und ein Consulting-Jahresrückblick würde vermutlich auf die Schwierigkeiten der Branche durch die Corona-Krise eingehen, das Ende der Aufarbeitung der Berateraffäre im Bundesministerium der Verteidigung berücksichtigen und auch das erstmalig repräsentative Berufsprestige der Branche (es ist schlecht) nicht vergessen. Nach diesen negativen Elementen würde ein solcher Jahresrückblick aber unweigerlich nach vorn schauen und für das kommende Jahr 2021 Optionen für eine doch recht positive Zukunft aufzeigen – zum Beispiel unter Berücksichtigung des so genannten Catch-up-Effektes.

Auf diese Art von Rückblick werden Sie hier aber verzichten müssen – Sie werden ihn an anderer Stelle sicherlich finden. Ich möchte diesen Denkanstoß viel lieber wieder zu einem „Leseanstoß“ umwidmen und (ähnlich wie im letzten Jahr) ein paar Lektüreanregungen unterbreiten – wahlweise zur Entspannung oder als Anregung.

Biografien

Den Start macht ein meist eher leicht zu konsumierendes Genre. Biografien sind anscheinend nicht nur bei Politikern ein beliebtes Medium der Selbstreflexion, sondern sie sind es offensichtlich auch bei Beratern geworden. Die Autobiografie „Immer am Limit“ von Herbert Henzler ist zwar schon ein paar Jahre auf dem Markt, dennoch ist das nachgezeichnete Leben des ehemaligen Deutschland- und Europachefs von McKinsey eine charmante Lektüre. Etwas frischer ist die Autobiografie von Hermann Simon, dem Pricing-Spezialisten und Namensgeber von SKP. Er kokettiert mit seiner Herkunft als Eifelkind und spannt den Bogen hin zu seinen internationalen Einsätzen („Zwei Welten, ein Leben“). Ganz frisch auf dem Büchermarkt ist die Biografie von Ulla Herrmann über „Roland Berger“. Dessen eigene Autobiografie und Unternehmensgeschichte ist hingegen schon etwas älter – und vergriffen.

Grenzübertritte

Eine weitere Biografie kann als Hintergrundmaterial für ein ganz anderes Thema genutzt werden. In den vergangenen Jahren scheint die Zahl der Grenzübertritte von Professional Service Firms des einen Typs in die Gefilde eines anderen Typs wieder zugenommen zu haben. Besonders die Versuche der großen Wirtschaftsprüfungskonzerne, sich wieder ins Consulting-Geschäft zurückzukämpfen, müssen hier genannt werden. Diese Vermischung von verschiedenen Geschäftsmodellen unter einem unternehmerischen Dach kann sinnvoll sein – man kann sie aber auch mit Vorsicht beobachten. Die Biografie von Elizabeth Haas Edersheim über „McKinsey’s Marvin Bower“ zeichnet sehr fein und charmant nach, wie viel Wert Bower auf die inhaltliche Fokussierung des Beratungsunternehmens gelegt hat und wie sehr er gegen eine Diversifikation war. In der „Geschichte der Personalberatung“ von Eckhard Neudeck wird das Zusammenspiel von Personal- und Unternehmensberatung ausgebreitet und nachgezeichnet, warum es schließlich zu einer weitgehenden Trennung gekommen ist. Auch „Final Accounting“ von Barbara Ley Toffler ist älteren Semesters. Das Buch zeichnet die Entwicklung von Arthur Andersen nach. Insbesondere die Beschreibung des Vorhandenseins von zwei doch recht unterschiedlichen Geschäftsmodellen unter einem Dach und den daraus resultierenden Konflikten ist lesenswert und erscheint aktuell.

Beratung und Coaching

Während die Kombination und Vermischung von beispielsweise Wirtschaftsprüfungs- und Beratungstätigkeiten vielleicht eher für mittlere und große Unternehmen von Interesse sind, mögen sich viele kleinere oder Einzelberater dazu entscheiden, Consulting und Coaching aus einer Hand anzubieten. Erik Lindner schlägt mit „Coachingwahn: Wie wir uns hemmungslos optimieren lassen“ eine Kerbe und geht recht kritisch mit der Coaching-Branche um. Wer sich von diesem Leseeinstieg nicht entmutigen lässt, findet mit „Supervision und Coaching: Grundlagen, Techniken, Perspektiven“ von Nando Belardi eine kurze, wohltuend nüchtern gehaltene Basisdarstellung dieser eher auf einzelne Personen und nicht auf Organisationen (wie beim Consulting) ausgerichteten Hilfestellungen. Ein wenig umfangreicher, aber sehr gut lesbar ist „Coaching und Supervision“ von Stefan Kühl. Der Soziologe schreibt bewusst ohne jegliche praktische Erfahrung in der personenorientierten Beratung über ebendiese. Seine außenstehende Beobachterperspektive nutzt er hervorragend, um einschlägige Besonderheiten herauszuarbeiten. Consultants sollten gerade bei ihm viele bekannte Situationen wiedererkennen und Vergleiche zwischen der personenzentrierten und der organisationsorientierten Beratung anstellen können.

Positionierung und Vertrieb

Christopher Schulz formuliert an anderer Stelle pointiert, dass sich ein Berater drei großen Aufgaben widmen muss: der Projektarbeit, dem stetigen Lernen und dem Verkaufen von Projekten. Seine eigenen Vertriebserfahrungen kondensiert er in dem kleinen Büchlein „Das perfekte Beratungsangebot“. Hier finden sich konkrete und anwendbare Tipps & Tricks zum Thema. Ingo Kett zielt mit „Relationship Sells“ auf eine umfangreichere Domäne. Die Beziehung zwischen Consultant und Kunde ist im „People Business“ besonders wichtig. Kett erläutert den Aufbau und die Pflege von Kundenbeziehungen methodisch und spiegelt alles mit einem durchgehenden Fallbeispiel. Giso Weyand bietet sein neuestes Buch „Trusted Advisor“ zum kostenlosen Download an und ergänzt es um eine Podcast-Reihe. Ihm geht es um die Positionierung des Beraters. Hier kann man sich als geschätzter Fachexperte beim Kunden einen Namen machen – oder eben als ratgebender Vertrauter.

Berater-Bashing

In regelmäßig unregelmäßigen Abständen werden Bücher publiziert, die kein gutes Haar an der Beratungsbranche lassen. Viele davon erscheinen austauschbar und ihr Erscheinungsjahr lässt sich auch rückblickend noch recht einfach anhand der jeweils aufgeführten negativen Projektbeispiele identifizieren. Manche Bücher stechen aber heraus, beispielsweise das schon etwas ältere „beraten & verkauft“ vom verstorbenen Thomas Leif. Er wendet sich aber ab von der sonst häufig anzutreffenden Polemik in diesem Subgenre und argumentiert differenzierter. Auch „Folienkrieg und Bullshitbingo“ von Ewald Weiden nähert sich dem Thema von einer neuen Seite. Das Buch ist deutlich knapper gehalten als das Werk von Leif und eignet sich prima für ein leichtes Lesewochenende. Im vergangenen Jahr erschienen ist die „Beraterdämmerung“ von Markus Väth. Kurzweilig geschrieben postuliert der Autor das Ende der Beratung, wie sie derzeit bekannt ist. Gespannt sein darf man, ob seine Prognose eintritt.

In eigener Sache: Eigene Sachen

Auch ein paar Hinweise in eigener Sache dürfen natürlich nicht fehlen: Der erste zielt auf das „Handbuch der Unternehmensberatung“ (herausgegeben zusammen mit Dirk Michael Ockel). Hier finden sich auf über 2.300 Seiten mehr als 100 Fachbeiträge zu (fast) allen Facetten des Consultings. Die Loseblattsammlung wird mehrfach im Jahr aktualisiert. Das Büchlein „Consulting in Zahlen“ versammelt in der aktuellen Auflage Auszüge aus mittlerweile mehr als 150 empirischen Studien rund um die Beratung und bereitet diese strukturiert auf, um so als Fundgrube und Steinbruch zu dienen. Druckfrisch ist „Consulting – Ein Lehr-, Lern- und Lesebuch zur Unternehmensberatung“ (geschrieben zusammen mit Prof. Dr. Andreas Krämer). Neben einer kompakten Menge an Fachinformation, die auf exakt ein Vorlesungssemester zugeschnitten ist und Studierenden sowie Seiteneinsteigern als Hilfestellung dienen kann, enthält das Buch auch Interviews mit 21 Expertinnen und Experten, die zu ihren jeweiligen Fachgebieten ganz offene und schonungslose Einschätzungen geben.

Die Lektüremöglichkeiten sind damit nicht ansatzweise abgedeckt. Aber vielleicht ist doch der eine oder andere „Leseanstoß“ für Sie dabei?

Bitte lassen Sie mich mitlesen! Welche Texte haben Ihnen gefallen? Welche Beratungsliteratur würden Sie ergänzen und empfehlen?

Fragen, Anmerkungen und Anregungen sind gerne gesehen! Bitte schreiben Sie an: Redaktion.Consultingbay@esvmedien.de und folgen Sie mir auf Twitter: @Ueber_Beratung

Consulting Autoren: Prof. Dr. Thomas Deelmann, Prof. Dr. Andreas Krämer Von den einen geliebt, von anderen gemieden: Kaum ein Berufsfeld ist gleichzeitig so gefragt und so umstritten wie Consulting. Daher braucht es Sachlichkeit und Orientierung, um die Unternehmensberatung als Profession zu entdecken, besser zu verstehen und zu gestalten. Die wichtigsten Entwicklungslinien, Qualifikationen, Karriereschritte und Managementaufgaben im Consulting von privaten und öffentlichen Organisationen zeichnen Thomas Deelmann und Andreas Krämer systematisch nach – mit aufschlussreichen Marktanalysen, neuester Forschung und prominenten Branchenstimmen. Wie verläuft die „typische Beraterkarriere“ mit den Phasen Orientierung, Einstieg, Aufstieg – oder auch Ausstieg? Was zeichnet eine moderne Beratungs-BWL aus, die Kunden- und Anbieterseite, aber auch Schnittstellen zur Marktforschung, Steuerberatung, Wirtschaftsprüfung u.a. erfasst? Was unterscheidet das Mainstream-Consulting der großen Beratungshäuser von den zahlreichen Nischen, Varianten und Besonderheiten im Beratergeschäft? Das erste „echte“ Lehr-, Lern- und Lesebuch, das die dynamische Branche und den facettenreichen Beraterberuf mit aktuellen Insider-Einblicken und vielen Beispielen ausleuchtet.

(ESV/uw,ff)